Erste Hilfe leicht gemacht

Kinder als Lebensretter

Helfen gehört von klein an zum Menschen. Altruistisches Verhalten kann schon bei Kleinkindern beobachtet werden. Um jedoch nicht zu verstummen, bedarf es einer positiven Verstärkung. Das Bayerische Jugendrotkreuz ist hierfür der perfekte Ort.

Dr. med. Florian Meier (BRK-Landesarzt)
BJRK
3/2023

(i) Altruismus bezeichnet ein Verhalten, das „selbstlos“ und „uneigennützig“ erfolgt und damit im Gegensatz zum Egoismus steht. Ein Mensch, der altruistisch handelt, opfert sich oder
seine Mittel im Sinne reiner Menschenliebe auf, um anderen zu helfen. (Stangl, 2023)
Quelle: Stangl, W. (2023, 3. September). Altruismus. Online Lexikon für Psychologie & Pädagogik; https://lexikon.stangl.eu/1162/altruismus.

Je früher man weiß, wie man sich in einer Notsituation am besten verhält, desto selbstverständlicher wird es, anderen in einer schwierigen Lage zu helfen.

Erste Hilfe ist eine Fähigkeit, die Menschen jeden Alters beherrschen sollten. Aber es gibt eine besonders wichtige Gruppe, welche oft übersehen wird: Kinder. Besonders wichtig ist dabei aber auch, auf eine kind- und altersgerechte Vermittlung der Erste-Hilfe-Kenntnisse zu achten.

Nur jeder dritte Erwachsene kann im Notfall richtig helfen. Die Meisten schätzen sich selbst nicht als gute Ersthelfer ein. Sie haben Angst, etwas falsch zu machen oder dem Betroffenen weitere Schäden zuzufügen und tun deshalb lieber gar nichts. Das ist jedoch das Schlimmste, was einem Betroffenen passieren kann.

Bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand beispielsweise zählt jede Minute. Mit jeder Minute, die tatenlos verstreicht, verringert sich die Überlebenschance um 10 %. Würden sich mehr Leute eine sofortige Wiederbelebung zutrauen, könnten täglich 27 Menschenleben gerettet werden.

Laut Studien können Kinder im Alter von 9 Jahren Herz-Lungen-Wiederbelebungsmaßnahmen erlernen und behalten. Auch wenn die Jüngeren nicht die Kraft haben, über längere Zeit eine vollständige Thoraxkompression durchzuführen, können sie dennoch mit ihren kognitiven Fähigkeiten helfen.

(i) Thoraxkompression ist das Zusammendrücken des Brustkorbs (Thorax) zum Beispiel bei der Herz-Druck-Massage im Rahmen einer Reanimation.

Mit den nötigen Fähigkeiten ausgestattet, können Kinder und Teenager schon vor Erreichen des Erwachsenenalters Leben retten. Kindern kurze Trainingseinheiten in der Herz-Lungen-Wiederbelebung anzubieten, stärkt ihr Selbstvertrauen. Dies wiederum führt zu einem gesteigerten Willen und der Fähigkeit, einen Herzstillstand zu erkennen und zu helfen. Sie betrachten sich als „in der Lage“ Erste-Hilfe-Maßnahmen an einer Person durchzuführen. Wenn ein Kind glaubt und auf sein eigenes Wissen vertraut, wird es wagen, einzugreifen.  Kinder können durch ihre körperlichen oder kognitiven Fähigkeiten das Leben anderer retten.

Eine Studie der norwegischen Universität Bergen aus dem Jahr 2011 zeigt, dass Kinder schon ab 4 bis 5 Jahren altersangepasst Erste Hilfe leisten können. Hierzu gehören beispielsweise das Anlegen eines Druckverbandes oder die stabile Seitenlage. Im Unterschied zu Erwachsenen gehen Kinder sehr unbefangen mit dem Thema Erste Hilfe
um. Kinder fragen nicht: „Was bringt mir das?“ Sie gehen offen und begeistert an die Sache heran und beschäftigen sich intensiv damit. Für sie ist es etwas Selbstverständliches und ist weniger von Ängsten etwas falsch zu machen belastet als bei Erwachsenen.

Der Gedanke, dass Kinder in der Lage sein sollten, Erste Hilfe zu leisten, mag auf den ersten Blick überraschend wirken, aber sie kann einen entscheidenden Unterschied in Notfallsituationen ausmachen.

Kinder im Grundschulalter sind abenteuerlustig und risikobereit. Kleine und größere Verletzungen in der Schule oder in der Freizeit gehören zum Alltag. Die betroffenen Kinder sind in diesen Situationen oft nicht allein. Freunde sind zur Stelle, bevor Eltern oder professionelle Hilfe erscheinen. Daher ist es wichtig, Grundschulkinder mit einfachen Erste-Hilfe-Maßnahmen vertraut zu machen.

Eine bereits in der Grundschule – und früher – beginnende Heranführung an die Erste Hilfe kann den Aufbau von Hemmschwellen bei der Hilfeleistung frühzeitig verhindern. Hierfür bieten die Formate „(Mini)Trau-Dich“ und „Juniorhelfer“ des Bayerischen Jugendrotkreuzes die perfekte Basis. Sowohl das Selbstwertgefühl als auch die
Handlungskompetenz der Kinder werden gestärkt und sie werden dafür begeistert, Verantwortung zu übernehmen. Eine äußerst wichtige Grundlage für das Aufwachsen in unserer Gesellschaft.

Durch die Umsetzung von Erste-Hilfe-Themen in der Grundschule werden die Impulse zur Hilfeleistung angeregt, die Kooperationsbereitschaft und die soziale Kompetenz gestärkt. Darüber hinaus werden Kinder für Gefahren sensibilisiert und Unfällen kann somit vorgebeugt werden.

Notfälle können überall auftreten. Zu Hause, in der Schule oder im öffentlichen Raum. Kinder können sowohl Betroffene als auch Zeugen sein. Daher ist es wichtig, dass sie wissen, wie sie in solchen Situationen reagieren können. Hierzu zählen sich selbst nicht in Gefahr zu bringen, das richtige Absetzen des Notrufs sowie das Durchführen lebensrettender Sofortmaßnahmen. Vor allen Dingen gilt es aber, den Kindern die Angst vor Situationen dieser Art zu nehmen.

Kinder, die Erste-Hilfe-Kenntnisse besitzen, können schnell handeln.

Sie können kleinere Verletzungen behandeln oder Erwachsene in kritischen Momenten unterstützen. In einigen Situationen kann schnelle Erste Hilfe den Unterschied zwischen Leben und Tod bedeuten. Kinder können und sollten in der Lage sein, bei lebensbedrohlichen Situationen Erste Hilfe zu leisten und so wertvolle Minuten zu gewinnen, indem sie Herz-Lungen-Wiederbelebung oder andere lebensrettende Maßnahmen anwenden.

Schulen können und sollen Erste-Hilfe-Kurse in den Lehrplan aufnehmen, um Kindern, die grundlegenden Kenntnisse zu vermitteln.

Eltern und Erziehungsberechtigte spielen eine entscheidende Rolle. Sie sollen Kinder zu Hause über einfache Erste-Hilfe-Maßnahmen aufklären und sie ermutigen, entsprechende Kurse zu besuchen.

Kinder und junge Menschen, die Erste Hilfe beherrschen, sind nicht nur besser auf Notfälle vorbereitet, sondern können auch als Lebensretter fungieren. Ihre Fähigkeiten können in vielen Situationen einen entscheidenden Unterschied machen. Es liegt an uns allen, die nächste Generation dazu zu ermutigen, in Notfällen sicher und kompetent zu handeln. Das Jugendrotkreuz ist deshalb viel mehr als ein Treffpunkt, sondern ein wichtiger Ort, um Kinder und Jugendliche an das lebenswichtige Thema der Ersten Hilfe heranzuführen.

Deshalb ermutige ich Euch gerne: Engagiert Euch, bringt Euch ein.

Euer Dr. med. Florian Meier (BRK-Landesarzt )

Alle Informationen und Unterlagen zu den Erste-Hilfe-Programmen des Bayerischen…
Dr. med. Florian Meier  (BRK-Landesarzt)
Dr. med. Florian Meier

Über den Autor

2021 wurde Dr. med. Florian Meier zum Landesarzt des Bayerischen Roten Kreuzes gewählt. Zuvor war er bereits 8 Jahre in stellvertretender Funktion tätig. Beheimatet ist er in Miesbach und neben seiner Tätigkeit als Hausarzt mit eigener Praxis, auch im BRK-Kreisverband aktiv.