Diversität im digitalen Hier und Jetzt?

In diesem Leitartikel werden zwei unterschiedliche Projekte des JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis in ihrer Bedeutung für aktuelle jugend- und gesellschaftspolitische Themen vorgestellt. Es werden Praxisbeispiele aufgezeigt, wie medienpädagogisch zu Fragen rund um Identität, Schönheit und Geschlecht*in jugendlichen Lebenswelten gearbeitet werden kann.

Tina Drechsel, Fabnian Wörz
2/2022

Das JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis ist ein privates, öffentlich gefördertes medienpädagogisches Forschungsinstitut

Da Bild zeigt das Logo des Projekts "ActOn"

ACT ON! – Aufwachsen zwischen Selbstbestimmung und Schutzbedarf

Das Forschung- und Praxisprojekt ACT ON! nimmt die Zielgruppe der 10-14-Jährigen und ihre Sicht auf ihr Online-Handeln in den Blick. In  Workshops setzen sich junge Menschen reflektiert und medienpraktisch mit aktuellen Medienphänomenen auseinander. Die Themen der Workshops
werden dabei von den Teilnehmenden gesetzt. In den letzten Jahren gewannen die Themen Selbstdarstellung sowie Körper- und Rollenbilder an Relevanz. Die ACT ON!-Zielgruppe befindet sich im Übergang von Kindheit zu Jugend. Eine Phase, in der sie sich intensiv mit den Themen Identität, Körperbildern und Sexualität auseinandersetzen. Der digitale Raum kann dabei Inspirations- und Orientierungsquelle für Schönheitsdarstellungen und Lebensformen sein. Dies zeigt z. B. die Bodypositivity-Bewegung. Es können aber auch Druck und Verunsicherung ausgelöst werden, wie bspw. Lea (14 Jahre) im ACT ON!-Jugendpodcast „Was geht…?“ berichtet:

„Das hat glaube ich jeder schon mal erlebt: Man sieht irgendeine Person, die gefühlt hübscher als man selbst ist. Ich finde gerade in diesen Momenten ist es dann wichtig, sich selbst zu akzeptieren.“

Sich selbst zu akzeptieren und sich nicht zu vergleichen: Genau das fällt vielen jungen Menschen jedoch schwer. Durch die vielen perfekt erscheinenden Inhalte in Social-Media-Angeboten kann diese Verunsicherung verstärkt werden.

Die ACT ON!-Workshops sensibilisieren die Teilnehmenden für einen souveränen Umgang mit digitalen Medien. Eine vertrauens- und verständnisvolle Atmosphäre bestärkt die Teilnehmenden darin, dass sie auch über persönliche oder negative Erfahrungen sprechen können. Im Fokus steht das gemeinsame Erarbeiten von Handlungsstrategien für das zukünftige Online-Handeln. Ein Austausch auf Augenhöhe ist essenziell, um die
Faszination von Kindern und Jugendlichen für ihre Mediennutzung zu verstehen und um als Ansprechperson bei Problemen wahrgenommen zu werden.

Gefördert wird ACT ON! vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen der Initiative Gutes Aufwachsen mit Medien.

Artikel zu aktuellen Medienphänomenen, medienpädagogische Materialien, der ACTON!- Podcast sowie die Forschungsergebnisse aus der ACT ON! Monitoring-Studie stehen auf dem Projektblog act-on.jff.de kostenfrei zur Verfügung.

act-on.jff.de

RISE – Jugendkulturelle Antworten auf islamistischen Extremismus

Das Projekt RISE hat zum Ziel, Jugendliche für die Auseinandersetzung mit extremistischen Weltbildern zu stärken und demokratische Einstellungen zu fördern. Im Fokus stehen aktuelle Themen, die wichtig für die Identitätsarbeit Jugendlicher sind und zudem in den Narrativen extremistischer Gruppierungen aufgegriffen werden: Gender, Gesellschaftskritik, Pluralismus, Werte und Religion, Rassismus.

Mit einem eigenen Förderprogramm unterstützt das Projekt Menschen im Alter zwischen 14 und 26 Jahren dabei, Fragestellungen zu diesen Themen aufzugreifen und in eigenen Kurzfilmen umzusetzen. Besonders groß war die Resonanz auf das Förderprogramm beim Thema Gender. Dazu sind im Verlauf des Projekts vielseitige Filme entstanden. Der Film HYSTERIA erzählt zum Beispiel eine queerfeministische Geschichte über Ohnmacht und Wut, Frust und Solidarität.

Queer ist eine Selbstbezeichnung von Menschen, die ihre Identität als „außerhalb der gesellschaftlichen Norm“ ansehen und schließt nichtbinäre, trans*, inter*, bisexuell, asexuell, homosexuell und weitere Identitäten und Geschlechter (gekennzeichnet z.B. durch *) mit ein.

Queerfeminismus bezeichnet dementsprechend den Kampf für Gerechtigkeit, Gleichheit, Freiheit und Selbstbestimmung aller Geschlechter und Identitäten im privaten und öffentlichen Bereich.

(Quelle: bundjugend.de)

Die Webserie portraitiert junge Frauen, die in typischen Männerdomänen arbeiten. Und der Film herspeech.rec interviewt Frauen in Machtpositionen. Er möchte zeigen, dass entgegen der öffentlichen Debatte Weiblichkeit und Macht sehr wohl gemeinsam existieren können. Die Filme zeigen Perspektiven von jungen Filmschaffenden, die den Status Quo unserer Gesellschaft in Frage stellen. Im RISE-Podcast macht Charlot van Heeswijk (Regisseurin HYSTERIA) deutlich, warum Fragen rund um das Thema Gender für sie eine solche Bedeutung haben:

„Rückblickend betrachtet kann ich heute sagen, dass es eigentlich ein Privileg war, dass ich mich damit so früh auseinandersetzen musste. Dadurch, dass ich selber relativ früh dann doch in meinen Jugendjahren gemerkt habe, dass ich queer bin, dass ich eben nicht heterosexuell bin, war das irgendwie so ein Thema, was ich selber für mich dekonstruieren musste. Also, was bedeutet Sexualität für mich? Was bedeutet Gender und Geschlecht für mich? Und heute ist es für mich, wie gesagt, ein wahnsinniges Privileg, weil ich glaube, dass viele, viele Leute davon profitieren könnten und würden, wenn sie früher die Chance dazu bekämen, aus ihren Rollen auszubrechen, die ihnen von der Gesellschaft auferlegt werden. Und deshalb war das für mich gar keine Frage von „Wann habe ich angefangen, mich damit auseinanderzusetzen?“, sondern dass – ich musste. Ich musste einfach. Ja.“

Gefördert wird das Projekt von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.

Alle Filme, die im Projekt entstehen, können auf rise-jugendkultur.de angeschaut werden. Zu den Filmen werden passende didaktisch aufbereitete
Methodenpakete entwickelt, die dort ebenfalls kostenlos zur Verfügung stehen. So können die Filme direkt in der pädagogischen Arbeit eingesetzt werden.

rise-jugendkultur.de/