Internationales JRK-Camp in Tansania

"Onasi siwijana oho-na-oh-onasi siwijana oho-na-ohna, wijana Redi Crossi ohona - oh-na,wijana Redi Crossi oho-na-oh-najama!" 

Michael Sauer
Michael Sauer
3&4/1999

Aus 1.000 (!) jugendlichen Kehlen war dieses tansanische JRKLied bei der offiziellen Eröffnungsparade zu hören. In einheitlicher Kleidung zogen wir, die Teilnehmer des Internationalen Jugendcamps des Jugendrotkreuzes Tansanias in Dreierreihen formiert durch die Straßen von Moshi, der viertgrößten Stadt Tansanias und beglückten die Anwohner und Zuschauer der  Parade zwei Stunden lang mit dem o.g. JRK-Choral. Ganz schön beeindrucken, oder? 

Aber erst einmal von Anfang an: Wir, das sind Beatrice Thiele (LV Sachsen) und Michael Sauer (JRK Glattbach) wurden auserkoren, die Delegation des Deutschen JRK für ein Internationales 
Jugendcamp in Tansania  vom 20.-26. Juni 1999 zu bilden. Nachdem uns mitgeteilt wurde, dass gerade wir die Auserwählten sind, machte sich natürlich wahnsinnige Freude breit, denn  wann bekommt man schon einmal die Chance, nach Afrika zu fliegen? 

Je mehr wir schmökerten, desto mehr steigerte sich die Vorfreude

Zwar bescherten uns die zahlreichen Impfungen auch eine ganze Menge Vorbereitungsstress, aber je mehr wir in unseren Reiseführern über dieses fremde Land schmökerten, desto mehr steigerte sich die Vorfreude auf das, was uns erwartete. Gut vorbereitet und mit ausreichend Infomaterial (ein ganz großes Dankeschön an Karin Hölscher im Referat!) flogen wir also nach Dar Es Salaam. Von dort aus mußten wir 500 km auf der einzigen Asphaltstraße Tansanias nach Moshi zurücklegen, dem Austragungsort des Jugendcamps. Nach einer 8stündigen Fahrt durch herrliche Landschaften aus Palmen, Wäldern und Gebirgen erreichten wir unsere Unterkunft, ein Trainingszentrum für technische Auszubildende.

Oh Schreck

Dort kam dann auch der erste Schreck. „Da schlafe ich nicht!“ „Diese Toilette benutze ich nicht!“ Das waren die allerersten Worte, die uns über die Lippen kamen, als wir die Zimmer und die Toiletten sahen. So wurden wir also das erste Mal damit konfrontiert, dass der afrikanische Lebensstandard halt doch immens niedriger liegt als der mitteleuropäische. Aber man gewöhnt sich an alles, und so dauerte es zwei Tage, danach hatten wir überhaupt keine Probleme mehr mit den Unterkünften, den sanitären Anlagen oder dem Essen - es gab jeden,  wirklich jeden Tag, mittags und abends Rindfleischgulasch mit Reis! Es dauerte noch einen Tag, bis alle 350 Teilnehmer aus Tansania (300), Uganda, Simbabwe, Sambia, Äthiopien,  Ägypten, Japan, Dänemark, Schweden und Deutschland eingetroffen waren und das Camp offiziell eröffnet werden konnte. Zu dieser Zeremonie wurden noch 650 lokale JRK'ler  eingeladen, so dass wir, wie oben schon erwähnt, mit 1.000 Teilnehmern eine Parade durch Moshi veranstalteten. Dieser Menschenzug führte uns zu einer Wiese, wo wir 3.000 Bäume pflanzten. Das Pflanzen von Bäumen sollte uns Glück für das Camp bringen und ist eine sehr beliebte Aktion in afrikanischen Rotkreuzgesellschaften. In Uganda gibt es z.B. ein Programm des Roten Kreuzes, das besagt: „Für jeden Baum, der gefällt wird, sollen 10 neue gepflanzt werden!“ Die Eröffnungsveranstaltung endete mit Ansprachen der Ehrengäste und Vorführungen traditioneller afrikanischer Tänze.

Jeden Abend Gulasch mit Reis und stundenlanges Entertainment

Letzteres ist auch eine Lieblingsbeschäftigung der JRK-Verbände in Afrika. Jeden Abend wurde uns eine Mixtur aus afrikanischen Tänzen und afrikanischen JRK-Songs („Onasi siwijana ...“ - ihr wisst schon!) als Unterhaltungsprogramm angeboten. Die ersten zwei Tage war es lustig, interessant und teilweise sogar faszinierend. Aber an sechs Abenden jeweils 3-4 Stunden Entertainment auf diese Art und Weise, das kann einem schon auf die Nerven gehen, und daher ist hier auch wohl Kritik berechtigt. Was dies und andere negativen Sachen wieder völlig ausglich und uns einen Superaufenthalt bereitete, war die Art und Weise, wie die Organisatoren fast alles versuchten, uns zufriedenzustellen und all unsere Wünsche zu erfüllen. Beispielsweise wurde mir die Ehre zuteil, als einziger Campteilnehmer eine Dusche mit lauwarmem Wasser zu bekommen, das für mich in der Küche abgekocht wurde. Es gab nämlich nur zwei Stunden am Tag fließendes Wasser. 

Wir zauberten ein Prachtexemplar

Ganz nebenbei haben wir aber auch noch eine ganze Menge gearbeitet und erlebt. So mußten Beatrice und ich mit den Materialien, die wir von zu Hause mitgebracht hatten, einen Infostand über unsere Kultur in Deutschland sowie über die Arbeit bei uns im JRK auf bauen. Also ließen wir unserer Kreativität freien Lauf und zauberten ein wirkliches Prachtexemplar.
Viel anstrengender als der Aufbau war aber die Beurteilung der Stände. Ca. 30 der Campbetreuer begutachteten unseren Stand intensivst und fragten uns nach allen Details unserer Ausstellungsstücke sowie  nach den Hintergründen der Struktur des Deutschen JRK und nach dessen Programmen. Der Lohn der Mühe war dann aber der 1. Platz in der Wertung der ausländischen Info-Stände! 

Sicherlich ein Höhepunkt war der Programmpunkt „Humanitäres Völkerrecht“. Eine Schauspielertruppe aus Nairobi (Kenia) zeigte uns ein Theaterstück zu diesem Thema. Obwohl die Dialoge des Stückes in Kisuaheli (Landessprache) geführt wurden, konnte man die Handlung, dank der hervorragenden Leistungen der Schauspieler verfolgen. 

Romeo und Julia auf Kisuaheli

Angelehnt an „Romeo und Julia“ zeigte uns das Stück, welche Ausmaße ein Stammeskrieg haben kann und wie die Bevölkerung darunter zu leiden hat. Dieses vom Internationalen Komitee des Roten Kreuzes (IKRK) in Auftrag gegebene Theaterstück wurde schon über lOOmal in ganz Afrika, meist in Krisenregionen, aufgeführt. Trotz dieser gelungenen Vorstellung vermißte ich eine Einführung in die Hintergründe sowie eine Diskussionsrunde zu diesem Thema. 

Ein Bett, sonst nichts

Am bittersten wurde uns der Unterschied im Lebensstandard zwischen Mitteleuropa und Afrika bewußt, als wir das Altenheim von Moshi besuchten. Die Bewohner, zehn an der Zahl und das in einer Stadt mit 40.000 Einwohnern, hausen in je einer Lehmhütte, die mit einem Bett „eingerichtet“ ist, mehr nicht. Die sanitären Anlagen sind sogar für afrikanische Verhältnisse unter aller Sau, und bei der medizinischen Versorgung wie auch bei der mit Nahrungsmitteln sind die Bewohner ganz auf Spenden (z.B. durch das Rote Kreuz) angewiesen. Von einer Beschäftigungstherapie ganz zu schweigen. Aber um so mehr haben sich die Menschen gefreut, als wir ihnen Seife und Reis vorbeibrachten, die Häuser und den Hof reinigten, eine Füllgrube aushoben und uns mit ihnen unterhielten. Spätestens als wir das Leuchten in den Augen dieser alten Menschen gesehen haben, waren die Strapazen der vorangegangenen Tage vergessen. Aber neben Arbeit waren natürlich auch Freizeit und Spaß angesagt. Diese bestand zum einen aus einem Besuch im Tarangire Nationalpark. Auf dieser Safari konnten wir Elefanten bewundern, die uns fast attackierten, Giraffen, Zebras, Affen, Springböcke und eine ganze Menge Vögel aus nächster Nähe. Von der atemberaubenden Landschaft ganz zu schweigen. 

Michael mit Bewohnern des Altenheims Moshi

Bergtour mit Anzug und Lackschuhen

Aber auch unsere Wanderung bis auf 3.000 m Höhe des Mount Kilimandscharo machte trotz der Anstrengung eine Menge Spaß. Vor allem weil der Beauftragte des JRK in Tansania versuchte, den doch recht matschigen Weg mit Anzug und Lackschuhen zu bewältigen. Weiterhin verlangte dieser ernsthaft von der deutschen und schwedischen Delegation, eine Frau für ihn u finden, die ihn heiraten mag. Hieraus könnt ihr sehen, dass wir eine Menge Spaß auf dem Camp hatten. Dies liegt sicherlich auch daran, dass die Afrikaner absolut lustige Menschen sind. Obwohl die meisten doch eine ganze Menge Probleme haben, ist mir solch eine Nettigkeit, Offenheit und Lebensfreude noch auf keinem anderen Fleckchen Erde begegnet. Am  letzten Abend haben wir bei Campfire und Lagerdisco noch mal richtig gefeiert, bevor wir am Samstag traurig unsere beschwerliche Rückreise über die holprigen Straßen von Tansania antraten. Zum Schluß möchte ich noch anmerken, dass es ein unvergeßlicher Aufenthalt für uns war. Erholt haben wir uns zwar kaum, dafür sind wir um einiges reicher an Erfahrungen. Also: Solltet ihr auch einmal die Möglichkeit bekommen, an einem JRK-Camp in Afrika teilzunehmen und ihr ein wenig anpassungsfähig seid, dann zögert keine Minute, Euch anzumelden!