Fortbildung zum „Jahr der Behinderten" - Erlebnis JRK trotz Handicap

Vom 7.-9. März 2003 fand in Gauting die Fortbildung „Erlebnis Jugendrotkreuz trotz Handicap“ statt. Im „Jahr der Behinderten“ sollten mit dieser Veranstaltung Brücken gebaut werden zum gegenseitigen Verständnis von Menschen mit und ohne Handicap, Hemmschwellen abgebaut, der Erfahrungshorizont erweiter und das Selbstvertrauen gestärkt werden.

KH
1/2003

Leider hatte sich niemand mit eigenem Handicap angemeldet, so dass jeder Teilnehmer selbst einmal in einem der Rollstühle Platz nehmen musste, die wir vom KV München ausgeliehen hatten. Aber nur so kann man
selbst erfahren, wieviele Barrieren ein Körperbehinderter überwinden muss und wo überall Hindernisse auftauchen, die ein „Normalo“ gar nicht bemerkt. Ein Ausflug ins nahe Starnberg stand im Zentrum des Programms. Gar nicht so schwer, sollte man meinen. Einige S-Bahn-Stationen von Gauting aus und das war's dann... Doch schon am Gautinger Bahnhof selbst standen wir ratlos vor einer großen Treppe. Dort hinunter? Mit Rollstühlen?

Ein Kundschafter entdeckte schließlich einen Lift, aber auf der anderen Seite des Bahnhofs. Also Kehrtwende für die ganze Gruppe. Ein zeitraubendes Unterfangen. Auch wartet eine S-Bahn nicht. Die Türen schlossen sich schnell wieder. Zu schnell.

So begann also die Kette von Erfahrungen, an die sich viele weitere knüpften:
 

  • Rutschgefahr für Rollis bei einer Kurve der S-Bahn
  • beim Ausstieg sind mind. 30 cm Höhenunterschied zu bewältigen kein Lift in Starnberg, eine mühsame Schlepperei über die Treppe
  • Befremden und Unsicherheit bei den Passanten und verstohlene Blicke..
Selbstvertrauen durch Selbstüberwindung: Michael hilft beim Anlegen des Gurtes, dann seilt sich Marco mutig ab.

Michael Frauscher, Erlebnispädagoge und Referent dieses Wochenendes, hatte sich einige Gemeinheiten ausgedacht. So stand unter anderem ein Besuch des Undosa-Uferrestaurants auf dem Programm, eins der gehobenen Gastronomie, bei dem wir mit Reserviertheit gerechnet hatten. Doch dort wurden wir angenehm überrascht: Eine freundliche Angestellte wollte sofort ein Extrastüberl für uns öffnen, da das Obergeschoss für Rollis nicht erreichbar war. Leider verplapperte sich jemand, dass wir keine echten Behinderten seien. Daraufhin mussten wir ein anderes Ziel ansteuem und entschieden uns für eine kleine Eisdiele. Dort war es sehr eng, ohne viel Tische und Stühlerücken lief unser Auftritt nicht über die Bühne. Uzi spielte überzeugend den Spastiker und bestellte mit Grunzlauten und heftigem Deuten auf die Speisekarte. Der Kellner reagierte vorbildlich und verzog keine Miene. Eine harte Schule war dieser Ausflug für unsere, .Blinden''. "Wie war es?" So die Frage an Andrea, nachdem sie eine gute Stunde mit einer verklebten Brille zur Dunkelheit verdammt war. Die Antwort: ,,Brutal!‘' Sie blinzelte. "Es ist plötzlich so hell!"

Alles in allem bot dieser Ausflug eine Fülle an Erfahrungen und Stoff für eine ausführliche Nachbereitung und den Einstieg in die gar nicht so graue Theorie. Auch kamen uns die eigenen Erfahrungen, besonders von denThannhausenem, zu Gute. Claudia wies uns immer wieder daraufhin, dass Behinderte sehr viel mehr können, als man meint. Man muss sie nur lassen! Und positive Impulse geben!

Unser Fazit: Die Hilfsbereitschaft ist größer als erwartet. Doch spürt man eine Scheu, vor allem von älteren Menschen, Hilfe anzubieten. Auf der anderen Seite gibt es auch negative Reaktionen. Ein älteres Ehepaar machte beim Einstieg in die S-Bahn sofort kehrt, als sie die Rollis bemerkten. Die,,Behinderten“ berichteten, dass sie oft ignoriert und nur die Begleitperson angesprochen wurde.

Als Behinderte im Klettergarten? Auch darin sah Michael kein Problem und forderte mutige Versuchspersonen auf, sich vom Balkon herab in die, .Tiefe" abzuseilen. Dabei war weniger die Höhe ein Problem als em vorspringender Sims. Diejenigen, die sich überwunden hatten, schwärmten danach von diesem Erlebnis.

Naürlich beinhaltete das Wochenende auch viele viele Spiele (z.T. sogar neu für Profi Claudia), Gespräche in und außerhalb der Gruppe und der Wünsch, sich mal wiederzusehen und sich auf jeden Fall über weitere Erfahrungen, Unternehmungen, Aktionen (evtl. Zeltlager...) auszutauschen.

Förderung

Aus Mitein des Bayerischen Behindertenplanes können Begegnungs- und Freizeitmaßnahmen, die 2004 durchgeführt werden sollen, für Behinderte von Jugendverbänden und Bezirks-, Stadt- oder Kreisjugendringen über den Bayerischen Jugendring bezuschusst werden. Anträge dafür müssen bis zum 15. September 2003 beim Bayerischen Jugendring vorliegen. Die notwendigen Formblätter und die entsprechenden Richtlinien können beim Bayerischen Jugendring angefordert werden:
Frau Garhammer, Tel. 089/5145822