Inferno in der Tunnelröhre

Um 00.08 am 12.06.05 werden Sanitäter und Feuerwehr im Landkreis Aschaffenburg über Funkmeldeempfänger alarmiert.

Michael Zang
3/2005

Ein Auto ist in Fahrtrichtung Frankfurt, ausgerechnet in der Lärmschutzeinhausung bei Goldbach, ins Schleudern geraten. Ein nachfolgender Reisebus kann nicht mehr rechtzeitig bremsen, kracht in den PKW und stürzt um. Mehrere nachfolgende Autos verkeilen sich ineinander. An der Einsatzstelle bietet sich den Helfern ein Bild des Grauens. Mehrere Fahrzeuginsassen sind zum Teil lebensgefährlich verletzt in ihren Autos eingeklemmt. Andere Autofahrer laufen panisch an der Unfallstelle umher und versuchen über die Fluchttüren nach außen zu gelangen. Im Reisebus - das totale Chaos. Der Bus liegt genau auf der Tür, Nothammer gibt es nicht. Die Reisenden sind im Bus eingeschlossen!! Einige schreien panisch, andere liegen teilnahmslos und schwer verletzt auf dem „Boden“. Nein, das Ganze ist keine Realität. Für das Chaos ist das JRK aus Aschaffenburg verantwortlich. Zusammen mit Mitgliedern der Feuerwehr, des Malteser Hilfsdienstes und eines Abschleppunternehmens haben sie dieses Chaos im Einhausungstunnel organisiert. Insgesamt hatten sich 68 Mimen für diese Aktion gemeldet. Ca. 40 wurden dann von den insgesamt 10 RUDlern geschminkt, der Rest war „nur“ unverletzt und wurde als Beteiligte in das Unfallgeschehen eingebunden. Für eine solche Übung muss allerdings einiges im Vorfeld  organisiert werden. Die Mimen mussten sich mit voller Adresse und Geburtsdatum melden. Diese Daten wurden schon im Vorfeld an das Einspielteam der Polizei weitergegeben, da diese ihre Einsatzzentrale mit Anrufen besorgter Angehöriger bombardierte. Auch das gehörte zum Übungsziel, Registrierung und Auskunft über Verletzte und Betroffene. Deshalb musste das RUD-Team die ausgefallenen Mimen durch Ersatzmimen mit der Identität informieren
und diese mussten die Daten der ausgefallenen Mimen „lernen“. Die Verletzungen mussten im Vorfeld schon erarbeitet werden. Es war wichtig schon Wochen im Voraus zu wissen, wie das Unfallszenario im Tunnel aussehen wird
und wie viele Autos mit wie vielen Insassen beteiligt sind. Danach galt es die Schminkmaterialien anhand des vorher ausgehandelten Budgets zu besorgen. Da die Übung über vier Stunden angesetzt war, und sich viel öffentliche
Prominenz und das Fernsehen angekündigt hatten, musste „gutes“ (und damit auch teures) Material verwendet werden. Da es nicht möglich ist so viele, auch ungeübte, Mimen in kurzer Zeit richtig einzuweisen, wurden Karten mit Mimanweisungen vorbereitet, die bei der Einteilung der Mimen ausgehändigt wurden. Als Schminkbeginn wurde 21.00 Uhr vereinbart. Diese drei Stunden vergingen auch bei guter Vorbereitung sehr schnell, da die Mimen mit Schulbussen des MHD an die Einsatzstelle gebracht werden mussten. Dort staunten alle, dass der Bus tatsächlich zur Seite gekippt worden war. Dieser hing noch an zwei Abschlepp-LKWs und wurde so gesichert bis alle Mimen in den Bus gekrochen waren. Als der letzte RUDler den Bus verlassen hatte, wurde dieser komplett abgelassen. Die Mimen hatten nun bis zur Rettung durch die Feuerwehr keine Möglichkeit den Bus zu verlassen. Dies wäre eine heikle Situation, wenn ein Mime an Platzangst gelitten hätte. Während der Übung überwachten drei RUDler ständig, dass keinem Mimen etwas bei der Rettung zustoßen konnte. Zur absoluten Sicherheit kannte jeder Verletztendarsteller ein „Losungswort“, das für ihn die Übung bei einem Notfall sofort beendete. Nach der „Rettung“ wurden sie von einem RUDler in der Autobahnmeisterei Hösbach erwartet, der überprüfte, dass alle Mimen von der Einsatzstelle zurückkamen. Für alle Beteiligten war dies ein großes Ereignis, und der zuständige RUD-Leiter war heilfroh dass keinem Mimen etwas zugestoßen war. Denn bei aller Planung und Aufsicht vor Ort kann doch etwas passieren.