Interview mit den Mitgliedern vom Runden Tisch der Jugend

Der Runde Tisch der Jugend (J-RTG) ist ein Gremium auf Landesebene, dem die Jugendwarte der Gemeinschaften sowie der Vorsitzende des Bayerischen Jugendrotkreuzes angehören. Im Interview mit der baff haben sie von ihren Gemeinschaften erzählt und über Zusammenarbeit diskutiert.

Uschi Graf
2/2006

1. Bitte stellt doch kurz Eure Jugendgemeinschaft vor!
 

Dr. Holger Krems (HK):

Die Gemeinschaft Jugendrotkreuz bietet Kindern und Jugendlichen bis 27 Jahre eine Plattform für Austausch, Lernen und Freizeitgestaltung.

Christian Stadler (CS):

In die Gemeinschaft Wasserwacht können Kinder und Jugendliche bis zum 16. Lebensjahr als Jungmitglieder aufgenommen werden. Neben den spielerischen und jugendpflegerischen Aktivitäten werden die Schwimmtechniken ausgebaut und das Rettungsschwimmen
ausgebildet. Daneben erhalten die Jungmitglieder je nach Altersstufe Einblicke in die technischen Anteile wie Funk, SEG, Motorboot, aber auch in den Natur- und Umweltschutz.
Franz Seidl (FS):

Die Bergwacht Jugend wurde vor allem gegründet, um Nachwuchs für die Bergwacht-Bereitschaften zu bekommen. In einem umfangreichen Ausbildungsprogramm im Bergrettungsdienst und im Naturschutz über das gesamte Jahr hinweg wird hier sportlichen, naturverbundenen Jungen und Mädchen zwischen 10 und 16 Jahren eine abwechslungsreiche Freizeitbeschäftigung geboten, die sie auf den ehrenamtlichen Dienst am Nächsten und an der Natur vorbereitet. Mit 16 Jahren werden sie als Bergwacht-Anwärter in die Bergwacht aufgenommen.


Roman Dreesbach (RD):

Die Bereitschaftsjugend ist die Gemeinschaft der Kinder und Jugendlichen innerhalb der Bereitschaften des BRK, sie wurde 1996 für die Nachwuchsarbeit innerhalb der Bereitschaften gegründet. Die Kinder und Jugendlichen sollen im Rahmen ihrer Freizeitgestaltung
auf die Aufgaben innerhalb der Bereitschaften vorbereitet werden.


HK:

Das Bayerische Jugendrotkreuz umfasst als Jugendverband alle Mitglieder des Bayerischen Roten Kreuzes aus allen vier Gemeinschaften (Bereitschaften, Bergwacht, Jugendrotkreuz und Wasserwacht) bis zum 27. Lebensjahr.

2. Was unterscheidet Euch von Eurem Erwachsenenverband bzw. den anderen Jugendgemeinschaften?

CS:

Vom Erwachsenenverband unterscheidet uns lediglich die Ernsthaftigkeit des Trainings, das durch viel Spaß aufgelockert wird. Das Ziel liegt in der Vorbereitung auf den aktiven Dienst. Im Gegensatz zu anderen Jugendverbänden gibt es bei uns eine interessante Vielseitigkeit, da wir neben den Rot-Kreuz-Tätigkeiten an Land (EH und Sanitätsdienste) viele sportliche Elemente (Schwimmen und Rettungsschwimmen) aber auch technische Tätigkeiten (Tauchen, Motorboot fahren, SEG) vereinigen können.
RD:

Der größte Unterschied zum Erwachsenenverband besteht im Alter. Jungmitglieder sind alle Mitglieder der Bereitschaften im Alter zwischen dem 6. und dem noch nicht vollendeten 18. Lebensjahr. Wie bei der Wasserwacht und im Gegensatz zum Jugendrotkreuz ist unser hauptsächlicher Fokus auf die Nachwuchsarbeit speziell für die Bereitschaften gerichtet.

3. Was verbindet Euch mit Eurem Erwachsenenverband bzw. den anderen Jugendgemeinschaften?

FS:

In der Bergwacht übernehmen die Jugendgruppenleiter und die jeweiligen Ausbilder der Bergwacht die Ausbildung in den Jugendgruppen. Sie üben diese Tätigkeit zusätzlich zu ihren dienstlichen Aufgaben aus, um interessierten Kindern und Jugendlichen
ein ansprechendes Freizeitangebot zu machen.


HK:

Dadurch, dass alle Mitglieder des BRK bis 27 Jahre, egal in welcher Gemeinschaft sie aktiv sind, gleichzeitig auch Mitglieder im Bayerischen Jugendrotkreuz sind, ist die Verbindung ja automatisch schon gegeben.


RD:

Verbunden mit dem Erwachsenenverband sind wir über die Struktur der Bereitschaften. Die Bereitschaftsjugend ist kein separater Jugendverband, sondern jedes Jungmitglied ist vollwertiges Mitglied des Verbandes, lediglich die Mitarbeit ist eingeschränkt.
Mit den anderen Jugendgemeinschaften verbindet uns auf alle Fälle das Bestreben, bei Kindern und Jugendlichen die Begeisterung für die Ideen des Roten Kreuzes zu wecken, soziale Kompetenzen zu fördern und sinnvolle Freizeitgestaltung anzubieten.

4. Wie läuft der Kontakt zur Basis?

CS:

Die Informationen werden in einem Schneeballsystem über die entsprechenden Jugendleiter an die Basis weitergegeben. Außerdem haben wir eine Internetplattform mit dem Dienst „Wasserwacht-Online“, in dem es Diskussionsforen gibt, die für alle angemeldeten Mitglieder zugänglich sind.


FS:

Die Jugendgruppenleiter arbeiten eng mit der Bergwachtleitung und dem Regionalbeauftragten für die Bergwacht-Jugendarbeit zusammen.


HK:

Neben dem Newsletter für Führungskräfte und der baff für alle Mitglieder versuchen wir auch den persönlichen Kontakt zur Basis zu bekommen, sei es durch den Besuch von örtlichen Veranstaltungen, Bezirksversammlungen oder Wettbewerben.


RD:

In den Bereichen, in denen Mitarbeiter der Bereitschaftsjugend bekannt sind, läuft der Kontakt sehr gut und herrscht reger Austausch. Leider ist die Struktur der Bereitschaftsjugend noch am Wachsen und in sehr vielen Bereichen sind noch nicht alle Führungsebenen aufgebaut, so dass es sich sehr schwierig gestaltet, den Kontakt zu allen Gruppen aufzubauen.

5. Seht Ihr Verbesserungspotential in diesem Bereich?

CS:

Teilweise ist die Bürokratie noch zu starr…


RD:

Verbessert werden müssen vor allem die Kommunikationswege, leider kommen in beiden Richtungen Informationen nicht an die entsprechenden Interessenten. Auch die Akzeptanz und das Verständnis für die Belange der Jugendarbeit steigert sich noch.

HK:

Durch Emails hat man heute viel bessere Möglichkeiten, die Basis zu erreichen, früher wurde auf den unterschiedlichen Verbandsstufen viel an Informationen gesiebt. Auch der Informationsfluss ist heute viel schneller. Aber teilweise fehlt zwischen den Verbandsstufen manchmal auch der „direkte Draht“, mit dem Unklarheiten sofort ausgeräumt werden könnten.

6. Gibt es bzw. worin liegen die Unterschiede in der Arbeit auf Landesebene und der Arbeit auf Bezirks- und Kreisebene?

CS:

Während auf Kreisebene noch viel entschieden wird, was sofort praxisnah umgesetzt wird, ist die Arbeit auf den höheren Ebenen langfristiger und konzeptioneller und somit abstrakter angelegt – Möglichkeiten für die Basis schaffen, während es an der Basis heißt: geschaffene Möglichkeiten umsetzen.


RD:

Diese Unterschiede liegen vor allem in der Dimension der Entscheidungen. Die Arbeit auf Kreisebene kann auf eine breitere Basis gestellt werden, es gibt mehr Struktur, mehr Entscheider und mehr Helfer, die Entscheidungen sind überschaubarer, der Wirkungskreis kleiner. Auf Landesebene muss sich bei uns die Struktur erst noch mehr entwickeln, die Entscheidungen beeinflussen mehr Mitglieder und tragen mehr Verantwortung in sich.
FS:

Bei der Bergwacht übernehmen Bezirks- und Landesebene lediglich Koordinationsaufgaben.

7. Wo fehlt es in der Jugendarbeit
Eurer Meinung nach an Unterstützung,
was würdet Ihr Euch dahingehend
wünschen?

FS:

Wir wünschen uns weitere Anerkennung und Unterstützung von allen Seiten innerhalb und außerhalb der Bergwacht.


RD:

Ein großes Problem ist wie immer der finanzielle Aspekt, eine Investition in die Jugendarbeit ist immer eine langfristige Investition, der Ertrag ist nicht immer klar greifbar und zeitnah zu erkennen. In Zeiten knapper Kassen, stark gekürzter öffentlicher Zuschüsse und sinkender Spendenbereitschaft werden verständlicher Weise Investitionsprioritäten zu unserem Nachteil gewichtet.


HK:

Jugendarbeit steht immer vor der Herausforderung, dass die Notwendigkeit ständig erklärt werden muss. Aber die Jugendrotkreuzler von heute sind die Führungskräfte von morgen im BRK, man darf daher Jugendarbeit nicht nur unter finanziellen Gesichtspunkten betrachten.


RD:

Genau daher wäre mein Wunsch das Verständnis aller Rotkreuzler, dass eine funktionierende Jugendarbeit die Zukunftssicherung unseres Verbandes bedeutet.

8. Welche Möglichkeiten seht ihr mit der Zusammenarbeit der Jugendgemeinschaften, angefangen von Gremien wie dem J-RTG bis hin zur Zusammenarbeit auf Kreisebene?

CS:

Aus meiner Sicht müsste die manchmal noch vorherrschende Angst, dass die eine Jugendgemeinschaft der anderen etwas wegnehmen könnte, verschwinden und abgebaut werden, da wir ja alle an einem gemeinsamen Ziel arbeiten, nämlich den Kindern und Jugendlichen eine sinnvolle Freizeitgestaltung mit sozialem Engagement zu bieten und das Rote Kreuz als Gesamtverband zu stärken.
FS:

Wir wollen die Zusammenarbeit mit allen Jugendgemeinschaften weiterentwickeln und bleiben nach allen Seiten hin offen.


HK:

Leider können wir auf Landesebene schlecht auf die Kommunikation auf der Kreisebene einwirken. Wir können nur Impulse schaffen und den unterschiedlichen Möglichkeiten den Weg bereiten. Doch der Wille muss auch von der Basis kommen. Auf Landesebene funktioniert die Zusammenarbeit schon sehr gut, aber auf Kreisebene müssen die Führungskräfte selbst tätig werden.


RD:

Ich denke, es ist allgemein im Roten Kreuz und im speziellen in der Jugendarbeit wichtig, unsere wertvollen haupt- und ehrenamtlichen Ressourcen zu bündeln. Gesammelte Erfahrungen müssen ausgetauscht, Ideen, Gedanken, Wünsche, Ziele und Vorstellungen müssen abgeglichen und angepasst werden. Und gerade die Gremien, wie der „Runde Tisch der Gemeinschaften“ oder der J-RTG sind genau dafür da und schaffen wichtige Freiräume, die wir für unsere Arbeit dringend brauchen.

9. Wie könnte man diese Zusammenarbeit auf allen Ebenen noch ausbauen? Habt ihr da Visionen oder konkrete Pläne?

FS:

Beim gemeinsamen Forum der Gemeinschaften dieses Jahr in Unterfranken, an dem wir uns einbringen werden, können wir die Zusammenarbeit weiter vertiefen.
CS:

Wir brauchen einfach gemeinsame Aktivitäten im Bereich Ausbildung und Freizeitgestaltung!
RD:

Meine Vision ist ein Rotes Kreuz, das sich wieder als eine Institution versteht mit gleichen Werten und gemeinsamen Grundsätzen. Das lässt sich auch auf die Jugendarbeit übertragen. Manchmal stehen wir uns mit Egoismus, krampfhaftem Festhalten an altbestehendem und aufgebauten Pfründen selbst im Weg. Das Wichtigste ist ein regelmäßiger und intensiver Austausch, ein Nehmen und Geben, ein Fordern und Zurückstecken im Zeichen einer Menschlichkeit, die wir uns selber auf die Fahne geschrieben haben. Wenn wir unsere eigenen Grundsätze innerhalb unseres Verbandes leben, lösen sich alle Probleme und wir bleiben modern und attraktiv.
HK:

Ein guter Schritt ist mit Sicherheit, wie von Franz schon angesprochen, das gemeinsame Forum der Gemeinschaften im Herbst. Dort können Vorurteile abgebaut werden. Doch auch schon der gemeinsame Landeswettbewerb mit der Wasserwacht-Jugend im Sommer wird sicher für alle ein tolles Erlebnis. Und ich hoffe, dass wir solche Veranstaltungen in Zukunft öfters gemeinsam organisieren werden, denn die Zusammenarbeit läuft immer besser, wenn sich die Leute untereinander kennen und Freundschaften geschlossen haben.