Mut zur Veränderung

Corona stellt die ganze Welt auf den Kopf, doch die Jugendarbeit könnte dies als Chance für Veränderung und den Einstieg in die digitale Welt nutzen.

Lea Schubert
3/2020

Die letzten Monate war die Zeit der Ungewissheit. Jugendcamps wurden verschoben, eine Maskenpflicht wurde zum Schutz aller eingeführt und die, die immungeschwächt waren, waren an ihr Zuhause gebunden. Vorhersagen, wie es weitergehen würde, waren praktisch unmöglich. Umso wichtiger war es, dass sich Altbekanntes nicht in Luft auflöste.

 

Viele Träger der Jugendarbeit sind auf Alternativen umgestiegen und haben versucht, aus der Krise zumindest eine kleine positive Änderung zu ziehen. Doch pädagogischen Fachkräfte stießen alsbald an ihre Grenzen, seien es finanzielle, emotionale oder physische.

 

Der Wille war da, aber dann kamen Probleme, die in einer anderen Welt nicht so wichtig erscheinen: das W-LAN spinnt, das Mikrofon funktioniert mal wieder nicht. Es sind die kleinen Dinge, die die Online-Zusammenkunft verzögern oder gar ganz verhindern.

 

Das  Schwierige an kleinen Problemen: In Zeiten von Kontaktbeschränkung konnten diese das Einreisen von falscher Normalität bedeuten.

Kleine Probleme – große Hürden

Ich selbst sehe die kleinen Probleme von zwei Seiten: Zum einen als Ehrenamtler*in bei einem queeren Jugendverein. Die Jugendlichen und jungen Erwachsenen nennen den Treff ihr zweites Zuhause, fi nden hier Zufl ucht und können so sein, wie sie sind. Bei uns müssen sich die Jugendlichen nicht verstecken. Trans Personen werden bei uns nicht mit einem falschen Namen angesprochen. Wir bedeuten Sicherheit für junge Menschen, die Gewalt und Verachtung fürchten müssen, weil sie sind wie sie sind. Und diese Sicherheit hat sich in Luft aufgelöst. Treffen mussten abgesagt werden, wurden in die digitale Welt verschoben und wurden dadurch unzugänglich.

Manche Jugendliche waren daheim nicht geoutet. Andere hatten nicht die Möglichkeit an den digitalen Treffen teilzunehmen, weil Endgeräte oder schnelle Internetverbindungen fehlten.

Ältere Jugendliche wurden mit digitaler Schularbeit überhäuft, sodass weder Zeit noch Energie für weitere Online-Treffen blieb. Die Gruppe wurde kleiner, Kontakte brachen ab und die Sorge wuchs.

 

Sorgen können jedoch auch Treibstoff sein.

Mit Traditionen brechen

Auf der anderen Seite bin ich Projektkoordinatorin eines Digitalisierungsprojektes, das gemeinnützigen Trägern die Möglichkeiten digitaler Tools näherbringen soll. Ich sehe Kolleginnen und Kollegen, denen die Zeit davonläuft. Deren Frustration mit der digitalen Welt stetig wächst. Die sich weigern, sich mit Digitalisierung auseinanderzusetzen, weil Ressourcen wie Zeit und Wissen fehlen. Außerdem ist Sozialarbeit eine Humanwissenschaft.

 

Wir arbeiten mit und für Menschen. Zu Recht finden viele Kolleginnen und Kollegen, dass sich persönliche Interaktion nicht durch digitale Angebote ersetzen lassen.

 

In meiner Arbeit sehe ich jedoch, welche Angebote möglich sind, wie unsere Zielgruppe in die digitale Jugendarbeit eingebunden werden kann, wie Interessen geweckt und Ressourcen erschaffen werden können.

 

Nicht alles, was anders ist, ist automatisch schlecht. Es hat nur eine Pandemie gebraucht, um das langsam zu realisieren.

Über die Autorin: Lea Schubert

Süddeutschland meets Osten: als Projektkoordination des „PILOT.digi“-Projekts schlägt Lea Brücken zwischen Sozialarbeit und Digitalisierung. Nebenher engagiert sie sich in Sachsen-Anhalt für die LGBTIQ+ Community.