Rotkreuz-Museum beim Kreisverband Nürnberg

Die umfangreiche Sammlung besteht seit über 10 Jahren

N.N.
1/1995

Was sich im Nürnberger Rotkreuz-Museum über die Jahre angesammelt hat, ist erstaunlich. Krankentragen, Sanitätstaschen, chirurgische Instrumente, Funkgeräte, Zeitschriften und Broschüren, Wiederbelebungsgeräte, Dienstabzeichen, Lotterielose und -gewinne, Dienstkleidung, Inkubatoren und vieles mehr. Unzählige große und kleine Belegstücke der Rotkreuz-(Alltags)Geschichte. Die stattliche, bundesweit wohl umfangreichste Sammlung verdankt der Kreisverband Nürnberg-Stadt Gerhard Gebühr. Der Ehrenkolonnenführer der Nürnberger Sanitätskolonne 1 war zufällig zum leidenschaftlichen Sammler von Rotkreuz-Utensilien geworden. Gebühr: "Von 1959 bis 1981 war ich Kolonnenführer. In dieser Zeit sind bei mir Uniformen, Ausweise und sonstige Utensilien von verstorbenen Kameraden abgegeben worden. Ich hab die Dinge aufgehoben." So hat sich im Lauf der Zeit immer mehr angesammelt. Schließlich füllten die Gegenstände zwei Garagen, die Gebühr auf eigene Kosten angemietet hatte. Vieles hat Gebühr geschenkt bekommen. Aber es ist auch einiges an Geld in die Sammlung geflossen. Wieviel, weiß er nicht, und will es auch gar nicht wissen. Als ihm die Sammlung über den Kopf, sprich die Garagen, zu wachsen drohte, ergriff Gebühr eine Gelegenheit beim Schopf. Der Kreisverband plante Anfang der 80er Jahre den Neubau einer Rettungswache mit Garagen. Gebühr überzeugte die Verantwortlichen, allen voran den damaligen Vorsitzenden, Generaldirektor Heinz Tschech, von der Einmaligkeit der Sammlung. Am 14. Juli 1984 schließlich konnte die Sammlung den rund 100 Quadratmeter großen Ausstellungsraum im Neubau beziehen. Der Platz reichte allerdings nicht lange. Denn die Existenz des Museums sprach sich herum und bundesweit fanden sich Spender und Leihgeber. Nach der ersten Erweiterung im Jahr 1991 um das alte Hausmeisterhaus folgte im letzten Jahr bereits die zweite. Seit seiner Eröffnung lockte das Museum über 7.000 Besucher an. In den letzten zehn Jahren zeigte das Museum bei 37 Rotkreuz-Veranstaltungen, bei Fachmessen und Kongressen im gesamten Bundesgebiet Teile der Sammlung. Über 25.000 Besucher wurden informiert.

Der Fuhrpark der Nürnberger Sanitätskolonnen um 1935

Vom Schubkarren zum Rettungswagen

Das Nürnberger Rotkreuz-Museum belegt mit einer Vielzahl von Ausstellungsstücken die Entwicklung des Krankentransports. Krankentragen, Modelle, nach Originalen 1:1 nachgebaute Transportmittel und eine ganze Reihe von Originalfahrzeugen gehören zur Sammlung. Über viele Jahrhunderte war die Trage das wichtigste Transportmittel. An ihrem Bauprinzip hat sich bis heute nichts geändert. Sie besteht aus einem festen, teils auch zerlegbaren Rahmen, der mit Gurten oder Stoff bespannt ist. Auch Holzlatten dienen als Auflagefläche. An beiden Enden hat die Trage Holme und in vielen Fällen Füße zum bequemen Abstellen. Zeitweise verwendete man auch Sesseltragen. Eine wesentliche Erleichterung brachten Mitte des 19. Jahrhunderts Räderbahren. Bereits um 1890 war die Räderbahre, die auch als Handmarie bekannt geworden ist, mit Gummireifen ausgestattet. Das Nürnberger Museum besitzt eine „Heidelberger Trage", die ein federndes Rädergestell und ein abklappbares Verdeck hat. Für größere Strecken griff man auf (landwirtschaftliche) Karren, Wagen und Fuhrwerke zurück, die entsprechend umgerüstet wurden. Vor allem zu Kriegszeiten waren sie unerläßlich. Komfortabler und speziell für den Krankentransport ausgerüstet war der Landauer, der um 1900 aufkam. Zu den Prunkstük- ken der Ausstellung zählt eine solche schwarz lackierte Sanitätskutsche der freiwilligen Sanitätskolonne Schnaittach, die bis 1950 im Einsatz war. Sie bot im Inneren bis zu drei Mann Platz. Für Kranke standen eine Trage und ein Sitzplatz zur Verfügung. Der Transport erfolgte wegen der guten Federung vergleichsweise schonend. Der Aufstieg des Automobils im Krankentransport begann 1905. 1908 bekamen die Nürnberger Sanitäter ihr erstes Automobil. Das Nürnberger Museum besitzt fünf alte Krankenfahrzeuge. Zu den Schmuckstücken der Sammlung zählen ein DKW aus dem Jahr 1954 und ein VW von 1962, der noch Anfang der 70er Jahre benutzt wurde.

Sanitätskutsche (1904) im Einsatz

Immer bessere Ausstattung

Belegstücke für die zunehmende Technisierung der Arbeit der Sanitäter finden sich im Nürnberger Museum ebenfalls. Es ist beispielsweise im Besitz von einer ganzen Reihe von Beatmungsgeräten und Inkubatoren. Bei den Beatmungsgeräten sind Sauerstoffgeräte und Beatmungsgeräte, die mit Druck Luft in die Lungen pressen, zu unterscheiden. Das älteste Gerät der Nürnberger Sammlung stammt von 1926, die Mehrzahl aus den 30er und 40er Jahren. Grundsätzlich sind die Geräte heute noch funktionstüchtig, lediglich die Schläuche sind porös. Ihren Zweck erfüllten auch die ersten Inkubatoren, die um 1930 aufkamen. Das wohl erstaunlichste, funktionierende Stück stammt aus Rothenburg ob der Tauber. Es handelt sich dabei um eine einfache Holzkiste mit Lüftungsschlitzen, die von den Sanitätern selbst zusammengezimmert worden war. In die Deckelklappe war ein Fenster integriert, die Seitenwände waren gepolstert und mit abwaschbarem Kunststoff bezogen worden. Das Kind lag auf einer Roßhaarmatratze, darunter drei Wärmflaschen. Zeichnete sich in Rothenburg eine Frühgeburt ab, wurde die Kiste hergerichtet und nach einem Zwischenstopp in Uffenheim, um heißes Wasser nachzufüllen, nach Würzburg gebracht. Nach Auskunft der Rothenburger Sanitäter haben alle Frühgeburten den Transport überlebt. Die Kiste war rund zwölf Jahre in Gebrauch.

Die Männerriege präsentiert Dienstkleidung von der Gründerzeit bis Mitte der 60iger Jahre.

Auszeichnungen

Bemerkenswert ist die Sammlung von Orden, Ehrenzeichen, Broschen, Kreuzen und Urkunden, die für besondere Verdienste um die Rotkreuz-Idee vergeben wurden. Bei der Vielzahl der Auszeichnungen und der zum Teil dürftigen Quellenlage ist es nicht immer einfach, eine Zuordnung vorzunehmen. Auszeichnungen wurden vom Staat, von der Rotkreuz- Dachorganisation und den Untergliederungen vergeben. Die Auszeichnungen unterlagen in der Gestaltung dem Zeitgeschmack. Hatte man im 19. Jahrhundert und noch in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts sehr aufwendig gearbeitete Schmuckstücke, so ist man inzwischen zu einfachen, weitgehend schmucklosen Formen und Arbeiten übergegangen. Inzwischen hat sich aber nicht nur das Äußere der Auszeichnungen geändert. Das Verhältnis zu ihnen ist ein anderes geworden. Jörg Nimmergut, der die wohl gründlichste Ausarbeitung zum Auszeichnungswesen des Roten Kreuzes vorgelegt hat, sieht die Bedeutung, in dem dringenden Wunsch der Menschen nach Anerkennung.

Das Museum wird fast ausschließlich über die Eintrittsgelder und die Einnahmen aus Flohmärkten finanziert. Das Museum ist jeden dritten Samstag im Monat von 8.00 bis 12.00 Uhr geöffnet. Wer das Museum zu einem anderen Zeitpunkt besichtigen möchte, meldet sich beim BRK-Kreisverband Nürnberg-Stadt, Sulzbacher Str. 42, 90489 Nürnberg, Telefon 5301-211 an. Der Eintritt kostet für Erwachsene 2,00 Mark, für Kinder unter 16 Jahren 50 Pfennige. Die Führung durch das Museum dauert eineinhalb Stunden.