Polen+Hilfe: Aktion für Neugeborene und ihre Mütter

Das Stichwort einer großen Aktion des Deutschen Jugendrotkreuzes. Nach dem bundesweiten Start nach einer Pressekonferenz in Bonn ging es auch in den bayerischen Landen los.

N.N.
1/1983

Fast alle halfen mit. Die Ergebnisse können wir vorläufig noch nicht abschätzen, da sie in den verschiedenen Gegenden recht unterschiedlich ausgefallen waren.
Unverständlich ist uns nur eines. Einige Kreisverbände, sprich: die dortigen Führungskräfte des Jugendrotkreuzes, begründeten ihre Ablehnung mit dem Argument, daß sie ihre Weihnachtsaktionen nicht kurzfristig auf das neue Ziel ausrichten könnten. Wir haben bei den Mächten dieser Erde deshalb den Antrag gestellt, die kommenden Katastrophen bitteschön auch ein halbes Jahr im voraus anzukündigen. Wir können nicht alle Aktionen in ihrer Vielfalt hier darstellen. Deshalb beschränken wir uns darauf, die Aktionen vorzustellen, zu denen uns Berichte oder Einladungen zugegangen sind. Sie sollen stellvertretend stehen für die viele Mühe, die sich unsere jungen Leute in den vergangenen Wochen gemacht haben.

Regens Rock-Festival für die Polenhilfe

14:45 Uhr

In der alten Turnhalle herrscht ungewohntes Treiben. Viele Bänke sind bereits aufgestellt. Ein paar Leute bauen eine Lichtanlage auf, andere drehen ein paar Knöpfe am Mischpult herum, Kabelgewirr spannt sich durch die ganze Halle. Auf der Bühne verlegen Musiker ihre Mikrofone und legen ihre Instrumente bereit. Durch die riesigen Verstärker dröhnt Musik. Das Jugendrotkreuz Regen lädt die gesamte umliegende Bevölkerung zu einem Rock-Festival ein. Der Ertrag soll der Polen-Aktion des Jugendrotkreuzes zufließen. Das Festival wurde durch Plakate, Flugblätter, Mundpropaganda und über „Bayern 3" bekannt gegeben. Es fand auch ein Kartenvorverkauf statt. Ganze 30 Karten konnten nach langen Bemühungen an den Mann gebracht werden. Laila Witt, eine von 22 Helfern: „Des is schlimm mit de junga Leit in Regen. Immer nur umpta-ta, aber g'scheite Musik verstenan de net." Das bewiesen auch bereits von der Stadt durchgeführte ähnliche Veranstaltungen. Die Festivals waren immer halb leer. Doch das Regener JRK vertraut auf die gute Sache. Ist nicht alles zum Scheitern verurteilt, noch bevor es überhaupt begann?

14:50

Eine Stunde vor Beginn der Veranstaltung ist Saalöffnung. Anstatt einem erhofften Ansturm haben die Saalordner nur mit der kalten Luft zu kämpfen, die von draußen herein kommt. Die Anspannung und Aufregung jedes Anwesenden steigt spürbar mit jeder Minute. Angela, die sich um die Turnhalle, die Versicherungen, die GEMA und die vielen Plakate gekümmert hatte, schaut alle dreißig Sekunden auf die Uhr. Verantwortlich für diese Veranstaltung ist Heinz Kaiser, der Leiter der örtlichen Gruppenarbeit. Das Band "Saalordner" an seinem linken Oberarm wirkt überflüssig, denn noch ist keiner da, den er hätte ordnen können.

15:15

Vereinzelt kommen ein paar junge Leute herein, schauen sich um und überlegen offensichtlich, ob sie nicht noch einmal umkehren sollten. Doch sie zahlen die fünf Mark Eintritt und setzen sich erwartungsvoll auf die Bänke. Noch kann man die Besucher an vier Händen abzählen. Laila Witt erzählt mir, daß sie mindestens 300 Besucher benötigen, um die ent standenen Unkosten von etwas über 1 500 DM zu decken. Die Aktion ist alleine eine Aktivität des Jugendrotkreuzes. Macht man Verlust, so wird das fehlende Geld vom Etat 83 abgezogen und die Jugend rotkreuzler müssen etwas zurückstecken.

15:30

Etwa dreißig Leute lauschen dem Dröhnen der Musik. Die Gruppe IQ macht plötzlich nochmals unerwartet Tonprober Der Mann am Mischpult wird nervös und springt immer von Musiker zum Pult und zurück. Die ersten Klänge der Musiker werden von den anwesenden bereits durch Applaus gewürdigt.

15:45 Uhr

Die 50-Mann-Grenze ist bereits merklich überschritten. Die Gesichter an der Kasse und vor allem der Verantwortlichen fangen wieder an zu strahlen. Vielleich klappt es doch noch.

16:10 Uhr

Etwa 100 Jugendliche werden von Conferencier Gigg begrüßt. Er stellt auch sofort die Gruppe IQ vor, die das Festival startet. IQ, eine Gruppe, die erst Anfang 1982 gegründet wurde, spielt in erster Linie Blues. Alle Stücke haben den typischen Blues-Sound. Stimmung kommt unter den Leuten auf. Zuerst zögernd, dann mit viel Bewegungsdrang kommen immer mehr Leute auf die Fläche und flippen nach den Tönen der Musik herum. Stücke wie Got My Majo Working, Sensitiv End, Black Magic Woman und Water Of Love bringen die Leute in Hochstimmung, sie hüpfen ausgelassen herum. Es ist Bewegung in der Turnhalle. Die Tänzer wollen IQ nicht gehen lassen. Pfeifen, Schreie und „Zugabe"Rufe erfüllen den Raum. IQ gibt zwei Zugaben, doch dann kommt die nächste Gruppe.

18:15 Uhr

"Poison Apple" wird merklich weniger akzeptiert. Der Jazz-Rock von Poison Apple scheint den Leuten weniger zuzusagen, zumal es auch noch Schwierigkeiten mit der Anlage gibt.

19:30 Uhr

Uncle Ernie steht auf der Bühne. Ihre Musikrichtung: Südstaaten-Rock. Der kommt wieder besser an. Die Stimmung steigt wieder.

22:00 Uhr

Am Ende bleibt Begeisterung. Ein Besucher: „Des wor des schenste RockFestival, des in Regen bis jetz' gebn hot." Ein anderer: „Es wor a tolle Atmosphäre."

Alles in allem bereuten die Jugendrotkreuzler in Regen ihre Initiative, ihre hergegebene Freizeit nicht. Und sie hatten auch allen Grund dazu. Es hatten knapp dreihundert Jugendliche das Konzert besucht. 300 DM Reingewinn konnten der Polenhilfe zugute kommen. Anerkennenswert ist es auf jeden Fall, daß eine Gruppe ihren Etat für eine gute Sache aufs Spiel setzt.
Zusätzlich brachte die Kindergruppe Bischofsmais 150 DM durch einen Flohmarkt auf das Konto der Polenhilfe bei. (Christian Haas)

Kitzingen: ein Samstag im Dezember

Gespräche mit Passanten

Die Aktion der Jugendrotkreuzler in der 26.000-Seelen-Stadt Kitzingen in Unterfranken gehört wohl zu der ganz normalen Sorte, wie sie vielfach in unserem Land stattgefunden hat. Der Erfolg ist nicht umwerfend, aber es ist ein Erfolg - und nur das zählt! Nebenbei: Auch zu einer „ganz normalen Aktion" gehört eine Menge Vorbereitung. Bis die zwölf Helfer am zweiten Samstag im Dezember um 7.30 Uhr auf der Straße standen, hatten sie schon die Tage vorher bei der Stadtverwaltung einen Stand besorgt, von einer Firma einen Kleintransporter geliehen und eine Torwand als Pinnwand vorbereitet. „Mitten in der Nacht" (eben um 7.30 Uhr) begannen sie mit dem Aufbau des Standes. Bis 15 Uhr lief dann die Polenaktion des Jugendrotkreuzes in Kitzingen. Und es lief ganz gut. Trotz naßkaltem Wetter verkauften sie Puzzles, Spiele und andere Dinge. Und immer wieder kamen sie mit den Passanten ins Gespräch. „Überraschend viele Leute spendeten nichts, weil sie privat Verwandten in Polen geholfen haben. Ich weiß nicht, ob das nur eine Ausrede war", erzählte Thomas Lindörfer, der Gruppenleiter. „Andere meinten einfach, daß sie den Ostblock nicht unterstützen würden." Aber es gab natürlich die vielen, die bei den Jugendrotkreuzlern eingekauft und damit die gute Sache unterstützt haben. Unterstützung gab es nachträglich auch noch von der örtlichen Tageszeitung, die die JRK-Aktion kurz würdigte. (Text: Georg Soller, Foto: P. Lindörfer)

JRK auf der Straße

Weißenburg: nicht nur ein Tropfen auf den heißen Stein

immer neue Hochrechnungen

Quizfrage: Woher können wir rasch viel Kindernahrung bekommen? Die Bitte um Geld erschien den Gruppenleitern aussichtslos, bettelte das Rote Kreuz doch das ganze Jahr um Geld. Aber die Feiertage standen doch vor der Tür. Da kauft jeder, was das Zeug hält. Sollte es da nicht möglich sein, die Bevölkerung zu bitten, bei ihren Weihnachtseinkäufen an uns zu denken? Gesagt, getan.

Dann noch in die Presse...

Unser Bunter Abend mit Theaterspiel, Sketchen und Volkstänzen, sowie einer eigenen Band, dessen Erlös sowieso der Internationalen Katastrophenhilfe dienen sollte, wurde als Auftakt der Aktion bestimmt. Die geplante Pressekonferenz fiel ins Wasser, da die Vertreter der örtlichen Presse kurzfristig absagten. Dankenswerterweise war aber am Bunten Abend doch ein Pressevertreter anwesend, der wohlwollend über den Abend und sein Ergebnis, sowie die geplante Aktion berichtete. Zwei Weissenburger Großmärkte gaben die Erlaubnis, an den Freitagen und Samstagen im Dezember auf ihren Parkplätzen Position zu beziehen und Flugblätter zu verteilen. Die Stadt überließ uns freundlicherweise zwei Parkbuchten in der Innenstadt. Ein K-Schutz-Sanka sollte uns dort als Info-Stand dienen. Wir waren uns klar, daß wir keinen übertriebenen Erfolg erwarten konnten, wollten aber mit insgesamt 5—10 Paketen nicht den Mut verlieren. Das wäre wenigstens ein Tropfen auf den heißen Stein ... Bereits das erste Wochenende zeigte, daß der Erfolg bei einem der beiden Großmärkte sehr gering ausfiel, in der Stadt lief wenigstens der Puzzle-Verkauf gut, vor dem zweiten Großmarkt aber hatten unsere Jugendrotkreuzler außerordentlichen Erfolg. Unzählige Passanten ließen sich überzeugen, stockten ihren Weihnachtseinkauf auf und brachten Babyartikel zum InfoStand. Auch in der Stadt war ein naheliegender Drogeriemarkt bald heftig frequentiert. Mehr als 130 Gläschen Fertignahrung, zusätzlich Milchnahrung und Fertigbreie erbrachte der erste Samstag vor dem Großmarkt Hörnlein.

Freiwillige Spenden

Das ermutigte uns gewaltig. Wir würden an den nächsten Wochenenden nur noch die Stadt und Hörnlein besetzen. Bald trafen auch im Rot-Kreuz-Heim unzählige Spenden ein. Wir klapperten alle Läden ab, die Babynahrung, Kinderkleidung und ähnliches führen. Vielfach bekamen wir Spenden, die größten: Kleidung, ca. 1300 DM, Schuhe, ca. 1500 DM, Kleidung, ca. 800 DM. Die Regale im JRK-Raum füllten sich mehr und mehr, die Kleiderberge wuchsen. Nach den Weihnachtswochenenden und Silvester wurde es für uns beängstigend. Die Realschule hatte sich der Aktion angeschlossen; angesprochen wurde der Schulsprecher, einem JRK-Gruppenleiter, brachte nahezu jeder Schüler etwas. Die größte bayerische Partei hatte bei einer ihrer Wahlversammlungen gesammelt und uns ca. 270 DM zur Verfügung gestellt; viele Leute gaben Geld statt Nahrungsmittel: insgesamt (Puzzleverkauf + Spenden) rund 800 DM. Woher sollten wir eine' ausreichendf Zahl Kartons bekommen? Wir rechneten vorerst mit ca. 50 Einheiten. Unser Leitei der Jugendarbeit kam uns zu Hilfe Kartons in Hülle und Fülle. Nach dem er sten Sortieren und Verpacken war klar: wir hatten uns verrechnet! Es würden viel mehr Pakete werden, ca. 100 schätzten wir. Und wir würden noch Milchnahrung und Windeln nachkaufen müssen, um die Sätze zu komplettieren. Dafür hatten wir ja die Barspenden.

Immer neue Hochrechnungen

Die nächste Hochrechnung erschütterte uns in unseren Grundfesten: es würden über 120 Kartons werden. Nach endlos langen, kalten Wochenenden in der Stadt verbrachten die Gruppenmitglieder nun endlose Abende mit Sortieren und Verpakken! Je mehr Kleidungsstücke in Plastikbeuteln verpackt in die Kartons verschwanden, desto größer schien der Berg zu werden. Es nahm kein Ende, bis dann doch alles verpackt war. Glückliche Gesichter blickten auf 173 Kartons, genau: 65 x Typ 1, 34 x Typ 2, 9 x Schuhe, 52 x Kleidung, 12 x Nahrungsmittel, 1 x Medikamente. Noch mehr überraschte das zahlenmäßige Ergebnis, wobei wir bei den Kleidungsstücken und Schuhen, obwohl neu oder neuwertig, heftig tiefgestapelt hatten:

Typ 1 = 3 657,43 DM Typ 2 = 1 989,39 DM Schuhe = 2 940,00 DM Kleidung = 11 570,00 DM Nahrungsmittel = 414,62 DM Medikamente = 350,00 DM Gesamtergebnis: 20 921,44 DM

Uns bleibt nur noch, der Bevölkerung von ganzem Herzen zu danken und auf die Gaben derer zu warten, die erst jetzt ihrem Herzen einen Stoß geben. Wir jedenfalls sind glücklich und bereit zu weiteren Taten. (Fotos und Text: Gerhard Grimm)