Die Gummistiefel blieben im Gepäck

Landeswettbewerb 1983 vom 22.-24. Juli in Dinkelscherben

Harald Freiberger
Kunz/Hödl/Soller
3&4/1983

In manchen Dingen haben die bayerischen Jugendrotkreuzler sehr viel Erfahrung. Nein, nicht von Erster Hilfe oder von Sammelaktionen soll hier die Rede sein, sondern schlichtweg vom Kofferpacken. Besonders wenn die Reise auf einen Landeswettbewerb gehen soll, so wie am 22. Juli nach Dinkelscherben, braucht ihnen keiner vorzumachen, was man alles benötigt, um ideal ausgerüstet zu sein. Also, man nehme Kleidung für drei Tage, Unterwäsche, Toilettensachen und die vorbereiteten Materialien und packe sie in Koffer oder Reisetasche. Halt! Da hätten wir doch fast das Wichtigste vergessen: Regenmantel, Regenschirm und Gummistiefel. Der Verzicht auf diese Utensilien könnte fatale Folgen haben. Die vergangenen sieben Jahre haben schließlich gezeigt, daß der Regen beim Landeswettbewerb so sicher ist wie das Amen in der Kirche. Die annähernd 200 Jugendlichen, die heuer am Landeswettbewerb teilnahmen, hatten sich dieses ungeschriebene Gesetz zu Herzen genommen. Ais sie am Freitagnachmittag im Dinkelscherbener Kreisjugendheim eintrafen, lugte aus fast jeder Reisetasche die Sohle eines Gummistiefels oder der Zipfel eines gelben Regenmantels hervor. Wie gesagt, die Jugendrotkreuzler haben da so ihre Erfahrungen. Doch es kam ganz anders. Heutzutage kann man sich aber auch schon auf gar niemanden mehr verlassen, nicht einmal auf den Wettergott. Was war in ihn gefahren? Hatte er den Termin des Landeswettbewerbs vergessen? Irgendetwas mußte ihm durcheinandergekommen sein, wie sonst hätte er den Regen zurückhalten können? Strahlender Sonnenschein und blauer Himmel bis zum Sonntagvormittag - mancher Jugendrotkreuzler konnte es kaum fassen, daß die wasserundurchlässigen Anziehsachen drei Tage lang unberührt im Gepäck blieben.

Alles Gute kommt von oben

Vier Fallschirmspringer schwebten dann auch am Freitagabend von einem wolkenlosen Himmel herab und landeten maßgerecht auf dem Zeltvorplatz. Der schwäbische Bezirksverband, verantwortlich für die Organisation des Wettbewerbs, hatte dieses imposante Schauspiel zur Eröffnung inszeniert und damit auf alle Teilnehmer Eindruck gemacht.

Der Startschuß

Ein symbolischer Akt gab den offiziellen Startschuß: Die Fallschirmspringer - unter ihnen übrigens auch der aktive Jugendrotkreuzler Harald Bachler überreichten nach geglückter Landung den JRK-Wimpel an die Landesausschußvorsitzende, Staatssekretärin Dr. Mathilde Berghofer-Weichner. Zuvor hatten die Ehrengäste Landrat Dr. Franz-Xaver Frey, Bürgermeister Herbert Eser und Dr. Mathilde Berghofer-Weichner kurze Grußworte an die versammelte Mannschaft gerichtet.

Alle Kinder dieser Welt

"Das Flair auf unserem Berg bietet beste Voraussetzungen für gute Leistungen", meinte da der Bürgermeister, und gleich im anschließenden musischen Teil des Wettbewerbs bestätigten die Teilnehmer seine Worte mit Tänzen, Sketchen und Liedern. Dem Motto "Alle Kinder dieser Welt", unter dem der diesjährige Landeswettbewerb stand, wurden sie vor allem durch die Auseinandersetzung mit dem Thema "Ausländerfeindlichkeit" gerecht. Weitere Schwerpunkte waren die Isolierung des Kindes in der modernen Welt sowie Themen zur Drogenproblematik, zum Frieden und zur Arbeitslosigkeit. Allerdings wurde auch deutlich, daß manche Gruppen zu sehr Wert auf Perfektion legten. Es ist bezeichnend, daß in der Stufe I gerade die Passauer Gruppe am meisten Beifall bekam. In Straßenkleidung und mit einfachsten Mitteln, dafür aber phantasievoll und einprägsam, trug sie die Geschichte eines Kindes reicher Eltern vor, dem bei allem materiellen Überfluß Wärme und Geborgenheit verlorengegangen sind.

Spaß ist gefragt

Hier deutete sich bereits an, daß die Gruppen beim Landeswettbewerb in zwei Lager geteilt waren: Auf der einen Seite standen jene Mannschaften, die sich intensiv vorbereitet hatten, ihre Vorträge in originalgetreuer Tracht zum besten gaben und möglichst perfekt sein wollten. Ganz anders dagegen faßten etwa die schwäbischen Teilnehmer den Wettbewerb auf: "Wir sind da, weil es uns Spaß macht und nicht, weil wir unbedingt gewinnen wollen." Im musischen Teil äußerte sich das beispielsweise in mehr Spontaneität, zweckmäßiger Kleidung und größerer Gelassenheit.

Nachruhe

Als Franz Reschel, stellvertretender Landesausschußvorsitzender des Jugendrotkreuzes, die Teilnehmer gegen 23°° Uhr sanft aufforderte, "langsam in Richtung Bett zu marschieren", war der Abend noch lange nicht gelaufen. Ein kleiner "Ratsch" für die Größeren, ein bißchen Herumtollen auf dem Zeltvorplatz für die Kleineren mußte da schon noch drin sein. Erst gegen Mitternacht war man bereit, ins Feldbett zu kriechen, wo viele die Erfahrung machen mußten, daß selbst der Hochsommer nicht vor kalten Nächten schützt.

Kalte Nacht - heißer Kaffee

Umso mehr wußte man am nächsten Tag den heißen Morgenkaffee zu schätzen, der - wie alles andere auch - vorzüglich schmeckte. An Qualität wie auch an Quantität vollbrachte die Küche Höchstleistungen. "Nachfassen erlaubt" war die Devise im Dinkelscherbener Kreisjugendheim, und nicht wenige machten davon Gebrauch. In unverkennbar schwäbischem Dialekt frohlockte ein Teilnehmer: "Des haut nei." Nahrhafte Kost war auch notwendig, um das Arbeitspensum am Samstag zu bewältigen. An elf Stationen, die über den vier Kilometer langen Parcours verteilt waren, galt es für die Jugendrotkreuzler Wissen, Können und Geschick unter Beweis zu stellen. Dabei vermischten sich theoretische Aufgaben (so über die Verkehrssicherheit und die Rechte Jugendlicher) mit rotkreuz-spezifischen Fragen und Spiele-Wettbewerben. Besondere Freude hatten die Teilnehmer an den Aufgaben mit Spielcharakter. So etwa beim Mineralwasser-Trinken, wo zu sechst ein Liter Wasser mit Strohhalmen so schnell wie möglich ausgeleert werden mußte. Nicht nur, daß es recht ulkig aussah, wenn sechs Leute ihre Köpfe zusammensteckten und jeder um sein Plätzchen kämpfte; auch die konzentriert vorhandene Kohlensäure, die unüberhörb.are' Begleitgeräusche erzeugte, trug einen Teil zur Gaudi bei.

Die Feuerwehr half mit

Mit Wasser mußten sich die JRKler auch eine Station weiter herumschlagen. Mit Hilfe eines Feuerwehrschlauches galt es eineo Wasserball durch einen vorgegebenen Parcours zu spritzen. Daß dabei oft nicht nur der Ball baden ging, sondern auch die "Feuerwehrleute", gehörte zu den unvermeidbaren Berufsrisiken. Am meisten Spaß aber bereitete die Schmierseifenrutschbahn. Während sich die einen abmühten, die gestellte Aufgabe zu erfüllen, nämlich über den glitschigen Untergrund die Anhöhe hinaufzusteigen, gaben es andere bald auf. Sie erkannten die Unlösbarkeit der Aufgabe und gaben sich dem Vergnügen hin, auf allen Vieren unter Geschrei den Abhang hinunterzustürmen. Selbst die Veranstalter hatten am Abend ihre Freude daran, mußten aber zugestehen, daß sie bei dieser Station zuviel verlangt hatten. Im Wettbewerbsteil "Bildnerisches Gestalten" waren die Gruppen gefordert, Kinderspielzeug anzufertigen. Und auch hier wieder der schon im musischen Teil festzustellende Unterschied: Einerseits die bis ins Detail vorgefertigten Puppenküchen, die nur noch nach "Schema F" zusammengebaut werden mußten, und andererseits die improvisierten Spielzeuge, deren Teile spontan von überallher zusammengesucht wurden.

Bunter Abend

Der Samstagabend stand ganz im Zeichen der Geselligkeit. Die Spannung bei den Wettbewerben hatte der Fröhlichkeit Platz gemacht. Es war auch gar nicht schwer, alle Verkrampftheit abzuschütteln, zumal die Showband "Titanic", deren musikalisches Repertoire vom "Holzlandler" bis zum Disco-Hit reichte, die Stimmung mächtig anheizte. Doch die Jugendrotkreuzler beschränkten sich nicht aufs bloße Zuhören: Mehrere Gruppen stellten selbst Sketche auf die Bühne und hatten dabei die Lacher auf ihrer Seite. Besonderen Anklang fand die spaßig in Szene gesetzte Modenschau der Schwaben. Viel Applaus gab es noch einmal am letzten Tag der Veranstaltung in der Dinkelscherbener Turnhalle. Zunächst für Pater Gerd, der den Abschlußgottesdienst zu einem Gemeinschaftserlebnis werden ließ, dann für die Gebrüder Haas, die mit einem beschwingt gespielten Klavierstück die Preisverteilung einleiteten. Zu einer Zugabe wurden sie förmlich gezwungen.

Die Preisverleihung

Die Preisverteilung verlief dann leider nicht ganz so, wie man es sich gewünscht hatte. Im Unterschied zu früheren Wettbewerben fehlte es diesmal etwas an Spannung. Das lag zum einen daran, daß sich der Notarztwagen mit Pater Gerd verspätet hatte und die JRKler ungeduldig geworden waren, zum anderen an der ungewöhnlichen Form: Man verzichtete darauf, die Plazierungen der einzelnen Gruppen bekanntzugeben, um zu verhindern, daß sich die schlechteren Teams übermäßig ärgerten. Lediglich die Siegermannschaften wurden verkündet. Das war dann wohl die zweite große Erfahrung dieses Wettbewerbs: Nicht in jeder Preisverleihung kann es vor Spannung knistern - daran hatte man sich nämlich schon genauso gewöhnt wie an das schlechte Wetter. Dem nächsten Landeswettbewerb ist der Sonnenschein von 1983 und eine Preisverteilung wie in vorangegangenen Jahren zu wünschen.

Die Ergebnisse Stufe I 1. 253 Pkt. Straubing-Bogen 2. 251 Pkt. Fürstenfeldbruck 3. 239,5 Pkt. Würzburg 3. 239,5 Pkt. Schwaben Stufe II 1. 262,5 Pkt. Schwaben 2. 261,5 Pkt. Weißenbrunn 3. 260,5 Pkt. Fürstenfeldbruck

zuerst seife man sich ein...
...und wasche sich gründlich ab
Hula-Hup hält jung
Die Gebrüder Haas am Piano
Die "7 Schwaben": Gewinner der Stufe II