Lagerfeuer-Romantik

Jugendrotkreuz Dachau Zeltlager in Mindelheim 1. bis 13. August 1979

N.N.
2/1980

Die 28 Teilnehmer treffen am Mittwoch, 1.August, um 9.00 Uhr im Rotkreuzheim ein. Sie sind recht aufgeregt und warten bis es endlich losgeht. Platzprobleme in den Fahrzeugen gibt es nicht. Wir haben eine Fahrzeugkolonne mit 3 Privat-PKW's, zwei Caritasbussen und dem Rotkreuzbus mit Anhänger, um die Mannschaft mit ihrem vielen Gepäck plus zwei riesigen Zelten nach Mindelheim zu bringen. Um 9.30 Uhr ist dann endlich alles verstaut, und es kann losgehen. Fast ohne Unterbrechungen gelangen wir nach Mindelheim, wo wir den Ortsteil Gernstall ansteuern. Dort auf abgelegenen Wiesen dürfen wir unsere Zelte aufschlagen. Da gibt es natürlich viel zu tun, und jeder langt kräftig hin. Die beiden Zelte, eines ist das K-Schutzzelt des Kreisverbandes Dachau, das andere ein 15-Mann-Bundeswehrzelt aus dem Privatbesitz von dem Leiter der Veranstaltung, Herrn Hanke. Ja, die beiden Zelte stehen schon nach kurzer Zeit, und unsere Teilnehmer nehmen jubelnd Besitz davon. Das K -Schutzzelt wird das Schlafzeit, und bei Regen der Aufenthaltsraum, das Bundeswehrzelt ist als Gepäckzelt gedacht.
Nun sind auch schon drei Bierzelttische und die dazugehörigen Bänke bei der Brauerei Mindelheim abgeholt worden, die man uns großzügiger Weise zur Verfügung gestellt hat.
Nachdem das Zeltlager noch polizeilich angemeldet worden ist, kann der Betrieb losgehen. Doch jetzt gibt es erstmal Wurstsemmeln, die unsere Jugendlichen gierig verschlingen. Am Nachmittag wird die Umgebung erkundet. Rundherum nichts als Wiesen, Wälder und Kühe.
Nach dem Abendessen, es gibt Budapester Pfeffertopf (toller Durstmacher!) werden die Getränke verteilt. Jeder bekommt zum Essen eine Literflasche Kola oder Spezi umsonst. Danach erkämpfen wir uns einen Platz im Zelt, um den anstrengenden Tag abzuschließen. In unser großes Zelt passen genau unsere 28 Luftmatratzen hinein, doch es ist nicht ganz einfach, einen Platz zu finden, wo man mit seinen besten Freunden ungestört von seinen Lieblingsfeinden ist. So gegen 23.00 Uhr hat dann der letzte seine "Sprechöffnung" geschlossen, und man hört nur noch ein Säuseln mit vereinzelten Schnarchern.
Donnerstag, 2.8.79: Viel zu früh wird es im Zelt munter. Die Morgenwäsche, mehr oder weniger gründlich, wird im nahegelegenen Bach verrichtet. Daß dabei mehr als zwei volle Dosen Rasierschaum verbraucht werden, stört niemand. Zum Frühstück gibt es knusprig frische Brezen und Semmeln, die wir täglich aus einer Bäckerei in Mindelheim holen. Mittags Eierravioli (gekochte Sofakissen).
Am Nachmittag starten wir eine Schnitzeljagd. Sie führt durch Wiesen, Wälder und tiefstes Gestrüpp. Die Mannschaft bekommt als Finderlohn Süßigkeiten. Beinahe hätte ich vergessen, daß ein Teil der Mannschaft am Vormittag das Mindelheimer Freibad unsicher gemacht hat.
Nach dem Abendessen, Reis mit Rindfleisch (Chinesische! Leis) finden 100 Postkarten schreibwütige Abnehmer. Der fast von allen geschriebene Vers an nahe und ferne Verwandte war eine Zeltlagerdichtung: Viele Grüße an die Füße. Mir geht es gut, Prost! Woher das Wort Prost kommt, sind wir uns im nachhinein nicht mehr so ganz klar, denn Alkohol haben wir keinen getrunken.
Abend wieder die übliche Schlacht um einen guten Schlafplatz.
Freitag, 3.8.79: Es regnet. Wir machen es uns im Zelt bequem und spielen "Pratzeln" bis zum Exzess. Mittags Kartoffelsuppe mit Speck (viele, viele Kalorien). Am Nachmittag scheint wieder die Sonne und wir machen einen Ausflug auf die Burg von Mindelheim.
Nach dem Abendessen starten wir eine Fuchsjagd. Doch der Regen macht uns einen Strich durch die Rechnung. Wir landen in einer Gastwirtschaft und erwärmen uns mit glühend heißem Tee.
In der Nacht gegen 2.00 Uhr schlägt unser Wachhund, den wir dabei haben, an. Nach Überprüfung der Situation stellen wir fest, daß sieben Wasserwachtler aus Dachau gekommen sind, um unseren Kochtopf (anstelle von einem Wimpel) nach altem Brauch und Sitte zu klauen. Wir füttern sie mit einem Gemisch aus Pfeffertopf, Ravioli und Erbsen und lassen sie an unserem Kochgrill etwas aufwärmen. Gegen 6.00 Uhr fahren sie wieder nach Hause. Die meisten unserer Zeltlagerteilnehmer haben nichts von dem Besuch gemerkt.
Samstag, 4.8.79: Frühstück Brezen, Semmeln wie üblich. Ein Teil der Truppe geht in's Freibad, der andere Teil besorgt das Notwendige für das Wochenende in Mindelheim. Mittags Eiernudeln (nudel-nudel-rudel-rudel). Nach dem Essen gehen wir an unseren Bach. Wir bauen Dämme und fahren mit den Luftmatratzen den Bach entlang. Nach einer Weile merken wir, daß die Hälfte unserer Mannschaft fehlt. Wir schauen bei den Zelten nach. Und da liegen sie und dösen faul in der Sonne. Nachdem ein Kodewort ausgesprochen ist, packen wir die Faulenzer und schleifen sie zu unserem Badebach, wo sie mit hallo hineingeworfen werden. Wir bleiben am Bach bis es finster wird. Nach dem Abendessen (Gulasch Piruschka - Ungarisches Kannibalenessen) machen wir eine Nachtwanderung nach Mindelheim in die Eisdiele und anschließend auf die Burg. Im gespenstischen Wald marschieren wir gegen 22.00 Uhr zum Zeltplatz, wo wir erschöpft in die Schlafsäcke kriechen, nicht ohne den schon fast traditionellen Kampf um die Schlafplätze ausgefochten zu haben. Sonntag, 5.8.79: Ausnahmsweise stehen wir erst um 8.00 Uhr auf. Frühstück. Zum dritten Mal starten wir eine Fuchsjagd. Trotz der nassen Wiesen macht es großen Spaß. Mittags Spaghetti (keine nennenswerten Unfälle). Am Nachmittag spielen wir Fußball. 15 Mädchen gegen 5 Buben. Trotz des hervorragenden Torwarts, der äußerst unparteiisch war!?, gewannen die Mädchen mit 2:1. Zum Abendessen ist das Grillen von Knackwürsten vorgesehen, und weil es regnet grillen wir im Zelt. Abends kein Kampf um die Schlafplätze, weil die Zeltlagerleitung diesmal die Plätze eingeteilt hat. Das beleidigte Gebrumme einzelner Personen war noch bis spät in die Nacht zu hören. Montag, 6.8.79: Frühstück wie üblich. Vormittag zur freien Verfügung. Nach Kohlrouladen (aufgewickeltes Schuhleder) zu Mittag fahren wir nach Bad Wörishofen. Dort sehen wir uns eine Vorführung der Falknerei an. Wir sehen Adler, Falken und Geier, die frei herumfliegen und dem Falkner auf seine originellen Kommandos folgen. Beinaher Verlust von zweien unserer Teilnehmer, die die Flugbahn eines Adlers ungewollt kreuzen. Am Abend Lagerfeuer. Besuch der Polizei am Zeltlager. Untertags haben wir ein Zeltlager der Pfadfinder Jugend von Mindelheim ausfindig gemacht. So wird bei den Größeren der Wunsch wach, sie diese Nacht zu besuchen und nach alter Tradition deren Wimpel zu entfernen und gegen einen Kasten Hopfentee einzutauschen. So ziehen wir um 2.00 Uhr los. Nach einstündiger Anschleicharbeit haben wir fünf den Wimpel. Wir schlagen Alarm und beginnen mit den Wimpelverhandlungen. Nach ein paar zögernden Ausweichmanövern versprechen die Pfadfinder uns am nächsten Tag das Verlangte zu überreichen. Wir laden sie für nächsten Mittwoch in unser Zeltlager ein. Gegen fünf Uhr morgens kehren wir zum Zeltlager zurück. Man erwartet uns schon mit wilder Kriegsbemalung und Geschrei, und der Zeltlagerleiter wird nach alter Indianertradition an einen alleinstehenden Baum gebunden. Als alter Karl-May-Leser kann er sich Jedoch befreien. Nachtruhe bis 10.00 Uhr. Dienstag, 7.8.79: Nach der kurzen Nacht wird am Vormittag nur gefaulenzt. Am Nachmittag, nach Kartoffeln mit Speck, werden die Vorbereitungen für das Abschiedsfest am Abend getroffen. Frisches Holz für das Lagerfeuer wird vom nahen Wald geholt. Es findet die Wahl des nettesten Zeltlagerteilnehmers und Teilnehmerin statt. Nach dem Abendessen, bei dem wir Steaks gegrillt haben, ist dann die Preisverteilung. Die nettesten Buben und Mädchen sowie der von der Zeltlagerleitung gewählte netteste Camper bekommen Preise. Die größeren bekommen eine kleine Flasche Sekt, die Kleineren eine riesige Tafel Schokolade. Es stellt sich heraus, daß nicht immer die mit der größten Klappe am beliebtesten sind. Das Fest könnte noch lange so weitergehen, doch um 10.00 Uhr tobt ein fürchterliches Gewitter direkt über dem Zeltlager los. Im nahegelegenen Ort Gernstall schlägt es ein. Die Zeltlagerteilnehmer schlafen ängstlich ein.
Mittwoch, 8.8.79: 16 Leute müssen heute nach Hause. Sie sind traurig aber doch froh, wieder in einem Bett schlafen zu können. Heimweh? Pünktlich um 12.00 Uhr kommt der Bus, um die Mannschaft abzuholen. Unsere Privatwägen fahren auch. Der Rest der Mannschaft geht in die Gastwirtschaft, denn das Wetter ist schlechter geworden. Abendessen: Südseetraum (ausgelaufenes Erdöl). Zum Schlafengehen dauert es noch etwas, denn die Pfadfinder kommen. Es sind wirklich sehr nette Kerle, die St.Georgs-Jünger von Mindelheim, wie sie sich nennen. Nachts keine Platzkämpfe beim Schlafengehen. Erholsam! Donnerstag, 9.8.79: Wir räumen den Müll zusammen und "Kniffein" den ganzen Tag, da das Wetter immer noch nicht schöner geworden ist.
Freitag, 10.8.79: Wir gehen ins Freibad, aber nicht um zu schwimmen, dazu ist es zu kalt, wir gehen in die Duschräume und duschen heiß ca. zwei Stunden. Die Kühe in der Umgebung unseres Zeltlagers waren geblendet, so sauber waren wir anschließend. Es findet sich sogar jemand aus unseren Reihen, der unsere Kleidung im Bach wäscht. Hemd 10 Pfennige, Hose 15 Pfennige. Unsere Textilien waren nachher nicht sauber, aber wenigstens gleichmäßig schmutzig.
Samstag, 11.8.79: Das Wetter ist wieder besser. Wir bräunen uns. Abends wieder Besuch von den Pfadfindern. Gesang, Stimmung.
Sonntag, 12.8.79: Eine geheimnisvolle Sucht packt uns. Wir müssen dauernd zum Wald. Manch einer schafft es bloß bis zum Maisfeld. Der Durchfall bei uns nimmt gespenstische Formen an. Einkauf einer Großpackung Kohlekompretten. Abends ins Kino. Die Nacht wird durch ständige Besuche am Maisfeld recht kurz.
Montag, 13.8.79: Diejenigen, die den Durchfall am schlimmsten haben, gehen zur Vorsorge ins Krankenhaus Mindelheim. Dort steckt man uns gleich in die Infektionsabteilung. Auch die am Zeltplatz gebliebenen werden untersucht. Verdacht auf Salmonellenvergiftung. Ein origineller Schluß für ein Zeltlager?

P.S. Gott sei Dank war es nur eine harmlose Darminfektion, hervorgerufen wahrscheinlich durch eine verdorbene Konserve.
Den Pfadfindern von Mindelheim vielen Dank, sie haben nämlich unseren Zeltplatz hervorragend aufgeräumt. Vielen Dank auch an alle Zeltlagerteilnehmer. Es hat viel Spaß gemacht,mit Euch dieses Zeltlager durchzuführen. Nächstes Jahr machen wir wieder sowas! (Bloß ohne Durchfälle, oder?!!)