Mit Behinderten auf Tour

„Es war rührend zu beobachten, wie sich die Jugend-RotKreuzler um ihre Schützlinge bemühten!" Das stellte der Jugend-Rot-Kreuz-Gruppenleiter Siegfried Böse, Au, nach einer gelungenen Zweitagesfahrt in das Hohenloher Land fest. Besonderheit dieser Fahrt: Die 23 JRKler aus Au im Landkreis Neu-Ulm nahmen auch neun Behinderte aus Ursberg, darunter auch drei Rollstuhlfahrer, mit. Siegfried Böse und seine Gruppe wurden in der Zwischenzeit aufgrund des großen Engagements für den diesjährigen Heinrich-KöpplerJugendpreis vorgeschlagen.

hak
4/1981

Schon während der Busfahrt stellten sich die Jugendlichen aus Au und Senden aufeinander ein. Alles unternahm man gemeinsam: eine Museumsbesichtigung im Schloß Neuenstein und Schloß Langenburg oder Spaziergänge durch Heilbronn oder Rothenburg ob der Tauber. Wenn sich Hindernisse in den Weg stellten, trug man notfalls die Rollstuhlfahrer oder verzichteten gesunder JRK-Ier freiwillig auf eine Besichtigung. Die sprach- oder lernbehinderten Jugendlichen genossen die Hilfe.

Aufführung des "Götz" miterlebt

Verständlich, daß der Besuch der Freilichtaufführung des Schauspiels "Götz von Berlichingen" im Schloß Jagsthausen ein Höhepunkt der Fahrt war. Für die an den Rollstuhl gefesselten Ursberger ö drei waren mit von der Partie - stellte die Theaterdirektion Plätze in der ersten Reihe zur Verfügung. So dicht am Geschehen verfolgten sie mit großem Interesse den Ablauf des Ritterspiels. Als gar am Schluß der Darsteller des Götz, Staatsschauspieler Hans Zeidler, Stuttgart, sich vor ihnen verbeugte, flössen sogar Freudentränen. Übernachtet wurde in der Jugendherberge Heilbronn. Nach dem Frühstück ging es zum Schloß Neuenstein, einem Kleinod unter den Hohenloher Schlössern und Burgen. Besondere Aufmerksamkeit fanden die Kampf- und Turnierwaffen der Ritter, deren Jagdtrophäen und nicht zuletzt das Mobilar von Küche bis zum Schlafgemach. Schloß Waldenburg, das nächste Ziel, war ein Leckerbissen für die Jugendlichen, die ihrem Wissensdrang über die Verteidigung mittelalterlicher Burgen freien Lauf ließen.

Für Rollstühle unbefahrbar

Beim Mittagessen in Eschental versorgten die Wirtsleute die Ausflügler im Übermaß. Anschließend besichtigten die Jugendlichen das Automuseum im Schloß Langenburg. Wo immer Treppen und Stufen ein unüberwindbares Hindernis für die Rollstuhlfahrer waren, griffen die JRK-Ier zu und trugen die Behinderten einfach auf den Armen. Ein Spaziergang durch das „Märchenstädtchen" Rothenburg beschloß die Fahrt. Hier war das Kriminalmuseum der Anziehungspunkt für viele Teilnehmer. Als dieses Museum sich für Rollstuhlfahrer als unzugänglich erwies, verzichteten manche Jugendliche lieber auf den Besuch, als ihre Schützlinge im Stich zu lassen.
„Die Leute guckten uns an, als ob man von einem anderen Planeten kommt", meinte ein Auer Jugendlicher, als er mit einem Rollstuhlfahrer durch die Stadt fuhr. Die gesunden Jugendlichen merkten, was Behinderungen bewirken, doch verstanden sie es zumindest. Behinderte für Stunden aus der Isolation zu reißen.