Treffen unter dem Regenbogen

Amerikanisch-Spanisch-Bayerische Begegnung auf der Jugendherberge Burg Schwaneck

Georg Soller
3/1981

Es stand von Beginn an außer Frage, daß siebzig junge Leute, allesamt Jugendrotkreuzler, Leben in das altehrwürdige Gemäuer der Burg Schwaneck bringen würden. Aber die schlimmsten Befürchtungen trafen nicht ein. Trotz der amerikanisch-spanisch-bayerischen Belagerung der alten Burg vom 20. bis 25. April blieb alles beim alten: "The Burg Schwaneck Castle" steht noch. Man hatte sich eine Menge vorgenommen. Die Veranstalter zum Beispiel: einmal der JRK-Bezirksverband Oberbayern sah eine internationale Begegnung in dem Treffen; das Amerikanische Rote Kreuz zum andern sah die Gruppenleiter - Ausbildung, das "Leadership-Training" an erster Stelle. Na, und die Jugendrotkreuzler wollten ihren Spaß haben und neue Freunde kennenlernen. Und dies alles hat nicht nur irgendwie, sondern geradezu perfekt geklappt.

Drei Sprachen

Sicher war dieser Erfolg nicht. Besonders am Anfang mochten weder Teilnehmer noch einige Gruppenleiter an ein Gelingen der Großveranstaltung glauben. Soviele Leute, drei verschiedene Sprachen* und die neuen Regeln, die zu einem vernünftigen Zusammenleben in der Jugendherberge notwendig waren, bargen eine Menge Unruhe in sich. Aber die psychologischen Barrieren verschwanden. Nicht nur die „Eisbrecher", Spiele zum gegenseitigen Kennenlernen und zur Gruppenbildung, halfen dabei. Entscheidend war wohl, wie der bayerische Delegationsleiter Otto Bosch bestätigte, „daß aus dem großen Haufen acht überschaubare Gruppen wurden, in denen sich die einzelnen untereinander besser kennenlernen konnten."

Champions contra Atoms

Eine Idee von ungeahnter Tragweite hatte dazu ein amerikanischer Gruppenleiter, Art, als er zu den obligatorischen "name-tags" noch ein weiteres Schildchen mit dem Gruppennamen anstecken ließ: Derart gekennzeichnet, trugen die Gruppen im Lauf der Woche Schaukämpfe aus, „befehdeten" sich mit Plakaten und Schlachtrufen. Doch die einzelnen Gruppen wuchsen zusammen...

„Die ganze Woche arbeiteten wir super zusammen und verstanden uns alle wunderbar. Sprachschwierigkeiten hatten wir überhaupt nicht. Am Ende waren alle sehr, sehr traurig, und es sind auch Tränen geflossen. Wenn so ein Treffen nochmal war', ich würde sofort wieder mitmachen." Sabine Wöhl

Leben auf der Burg

Nicht nur von der Größe her war die internationale Begegnung auf der Burg Schwaneck ungewöhnlich. Während bei ähnlichen Anlässen anderswo das Hauptaugenmerk meistens auf "sight-seeing" liegt, beschränkte man sich dafür hier auf den Donnerstagnachmittag. Den Rest der Woche verbrachten die siebzig jungen Leute gemeinsam auf der Burg.
Das "Leadership-Development-Program", eine Art Gruppenleiterausbildung, füllte die Vormittage aus. Dabei wurde den Jugendrotkreuzlern auf spielerische Art und Weise die Problematik eines Gruppenlebens veranschaulicht und Führereigenschaften der Einzelnen gefördert.
Nachmittags wurden die festen Gruppen dann aufgelöst. Die Begegnungsteilnehmer wollten an Neigungsgruppen teilnehmen: Bauernmalerei, Clownschminken, Singen und Tanzen wurden angeboten; sie konnten sich in Erster Hilfe genauso üben, wie in realistischer Unfalldarstellung. Oder sich journalistisch betätigen und an der
Lagerzeitung "Flashback" mitarbeiten. Es fand sich für jeden etwas.

Nachtleben im Rittersaal

Das Interessanteste auf der Burg Schwaneck, und darin waren sich alle einig, war das Nachtleben. Jeden Abend ab 19 Uhr strahlte der hohe Rittersaal für mehr oder weniger kulturelle Ereignisse. Es versteht sich von selbst, daß die Jugendrotkreuzler ihr Programm mit Feuereifer selbst gestalteten. So konnten jeden Abend neue Spezialitäten aus den drei Ländern präsentiert werden: Am Montag ging es erst einmal mit einer kleinen Sprachenschule los. Was heißt „Guten Morgen" auf Englisch oder auf Spanisch (und für die Gäste auf Deutsch)? Wer schlau war, konnte sich die wichtigsten Redewendungen für die nächsten Tage aneignen. Für die Folklore-Nacht am Dienstag hatten die Organisatoren Gäste eingeladen; fesche Schuhplattler aus Garmisch und eine Square-Dance Gruppe aus München. Zur Guten Nacht sangen einige Mittenwalder Teilnehmer noch leise Gstanzl.

show as show can

Spätestens ab Mittwoch gehörte den Jugendrotkreuzlern die Bühne ganz. Es gab Show Time International. So rissen die Spanier das Publikum mit Flamenco und einem Stierkampf zu wahren Beifallsstürmen hin. Und die Amerikaner zeigten, was sie unter "American Way of Life" verstehen. Die Bayern jodelten und entlockten Gitarre und Querflöte klassische Töne. Im Programm am Donnerstag stand schlicht und einfach „Disco". Aber ganz so einfach war das nicht, die verschiedenen nationalen Geschmäcker unter einen Hut zu bringen. Nach einigem Trouble fand man eine lautstarke Einigung bei AC/DC. Freitag. „Talent Show". Hier wurde wirklich Bühnenreifes gezeigt. Sketche, Gesänge und anderes, manchmal nicht zu ernst Gemeintes war zu sehen und zu hören. Mal Striptease, mal Boxkampf, der Phantasie waren keine Grenzen gesetzt, und sie kannte auch keine!

„Als ich am Sonntag endlich nach Hause fuhr, hatte ich kein sehnlicheres Bedürfnis, als eine heiße Dusche und dann Ruhe, Ruhe und nochmals Ruhe. Aber während ich dies niederschreibe, in einigem zeitlichem Abstand, überkommt mich doch eine leise Wehmut. Und ich muß sagen: .Gemeinsam haben wir's gepackt'." Annette N. Griesmeier

Together they made it

Nach einer Woche war allen klar, daß diese viel zu schnell vergangen war. Das Treffen unter dem Regenbogen neigte sich dem Ende entgegen. Gemeinsam wurden am Samstagnachmittag die Vorbereitungen zum „Banquet" erledigt, die Kriegsbeile zwischen den Gruppen endgültig begraben. In froher Eintracht und schon ein bißchen mit Wehmut im Herzen schritten die Jugendrotkreuzler zur Abschiedsveranstaltung. Nach freundlichen Grußworten der oberbayerischen Rot-Kreuz Spitzen, gestärkt durch ein liebevoll zubereitetes, kaltes Büffet, kam der schwierigste Teil des Abends. Man nahm Abschied, die Gruppen von ihren Leitern, die neuen Freunde voneinander. Die überschwänglich - herzliche Art der Amerikaner rührte die ersten Tränen... der Abschiedsschmerz begann. Mit drei gemeinsam gesungenen Liedern endete dann nicht nur dieser Abend, sondern eine Woche, von der jeder bestätigen konnte, was die Amerikanische Delegationsleiterin KayeEllen O'Conner formulierte: "Together we made it".