Durch das Land der Skipetaren

Die Abenteuer einer Jugendrot kreuz-Delegation auf den Spuren des Kara Ben Nemsi Effendi

Gerhard Grimm
2/1981

Zum zehnten Male tauschten das bayerische und das makedonische Jugendrotkreuz eine Delegation aus. Was die bayerische Gruppe bei ihrem zwei
wöchigen Aufenthalt in Makedonien erlebte, das steht nicht weit hinter den Erlebnisromanen Karl May's zurück.

Aufbruch

Der Orientexpreß krachte und fauchte Richtung Osten. Immer weiter entfernte er uns von der Hochzivilisation, und kämpte sich den Tälern der schwarzen Berge entgegen.

Zu Pferd wären wir schneller

Diesen Gedanken konnten wir nicht aus unseren ermatteten Gehirnen verbannen, während wir in einem riesigen Autobus durch die Schluchten des Balkan schaukelten. Die Landschaft hatte sich in den paar Wochen, die seit dem Durchzug Kara Ben Nemsis vergangen waren, nicht wesentlich geändert; allerdings hatte man die Saumpfade für die Benutzung mit Motorkraftwagen hergerichtet. So schnauften wir denn mit guter Fußgängergeschwindigkeit durch herrliche Landschaften unserem Lager am Prespasee entgegen.

Agroplod

Der Balkan ist berühmt für die Kunst seiner Zuckerbäcker. Auch wir wollten natürlich die Künste dieser Zuckerwerker erforschen. Agroplod hieß unsere Ziel-Firma zur Herstellung von Schokolade, Nougat, Flips und ähnlichem. Wir fühlten uns in einen ScienceFiction-Film versetzt: keine Sklaven, nur Maschinen ... Automaten. Unser Weltbild begann zu wanken. Orient, was ist aus Dir geworden? Die Bauchschmerzen aber waren echt und blieben. Vergiftete Eierspeise, versuchter Meuchelmord — nein, zuviel warme Schokolade, frisch vom Auto-Sklaven.

Gipfelsturm

Vier Waldläufer, Bergler, sind zu uns gestoßen. Sie wollen das Land zu Fuß erobern. Ohne Karte, nur der Nase nach, geht's im Morgengrauen auf den Pelister. Allah scheint hier gezornt zu haben. Felstrümmer liegen herum wie nach einer Gigantenschlacht. Wüstes Klettern. Zusammenbrüche. Schwache bleiben zurück. Weiter. Endlich 1300 Meter höher. Der Gipfel: 2600 Meter. Rückmarsch. Kaputt. Jetzt kennen wir das Land der Skipetaren hautnah.

Tücken der Technik. Oder "kismet"

Gute Zeit der Pferdewagen, wohin bist Du entschwunden? Diese neumodischen Motorwagen waren nur zu gut geeignet, uns Todesängste einzujagen. Bremsen defekt. Halten unmöglich. Der nächste Dorfschmied hatte den Fehler rasch behoben. Auf geht's - der Wagen tut keinen Muckser. Die Kurbel wurde wohl daheim vergessen. Nach einigen Tagen waren wir bärenstark. Omnibusanschieben ersetzt jedes Body-Building. Sperrschild übersehen - wir stecken in einem Dorf in einer Gasse, Zentimeter breiter als der Bus. Nacht. Bergauf. Kurvig. Ein Königreich für Pferde, aber wir kommen nicht mal aus dem Wagen, die Gasse ist zu eng. Gefangen. Wir ergeben uns in unser Schicksal. Ob wohl die Heimat an uns denkt? Nach etwa einer Stunde sind wir frei, der Kutscher hat rückwärts, bergab aus dem Ort herausgefunden. Unsere Nerven.

Wieder im Orient-Expreß

Nach vielen Empfängen, vollgestopft mit Informationen folgen wir dem Rückruf. Der Orientexpreß wird uns nach Hause bringen. Überfüllung, Platzkarten doppelt vergeben. Fast ein Dutzend Leute mit Gepäck in einem Zugabteil, jede Pritsche mit zwei Mann belegt, rattert der schnelle Zug langsam nach Westen, der Heimat entgegen.

Wir haben viel erlebt und gesehen, nette Menschen liebgewonnen. Das Makedonische Rote Kreuz ist während der letzten zehn Jahre zu einem gleichwertigen Partner geworden. Wir müssen als Partner zusammenarbeiten, die Zeit der Entwicklungshilfe ist vorbei. Makedonien hat den Anschluß gefunden, seine Industrie wächst mit jedem Tag. Eigentlich schade, unsere romantischen Träume müssen der Realität weichen. Die Abenteuer bleiben Erinnerungen.

Knoten, Anseilen, Bergsteigerregeln lernte der Hans uns Flachlandflegeln
Volkstänze, lustige Lieder wer kennt da die müden Krieger von gestern wieder?
13hundert Meter ging's aufwärts, so dann 13hundert Meter wieder no
2600 Meter waren wir hoch, da fehlen die Kräfte dann doch