Ein Schmierfink berichtet

Jugendrotkreuzler als Redakteure - Erfahrungsberichte vom Zeitungmachen

Georg Soller
2/1982

Es raschelt gewaltig im bayerischen Rot-Kreuz-Blätterwald. Vier Zeitschriften haben wir gefunden, die sich mehr oder weniger regelmäßig auf regionaler Ebene mit dem Thema „Jugendrotkreuz" auseinandersetzen. In erster Linie geht's dabei um Berichte von Veranstaltungen, um Terminkalender und manchmal auch ein wenig um Kritik am Verband. Der „baff"-Reporter hat sich umgehört, was die JRK-Redakteure erreichen wollen und welche Probleme es in den einzelnen Redaktionen gibt.

Im Ladeninneren herrscht das totale Chaos. „Du mußt entschuldigen", meint Armin Göttlicher, „aber wir bauen hier gerade um." Armin Göttlicher ist der „für den Inhalt verantwortliche" Manager des „Brösel", - und der Brösel ist eine alternative Jugendzeitschrift im Landkreis Nürnberger Land.
In dem Laden, in dem wirklich alles drunter und drüber geht, steht an der Seite ein Tisch. Um ihn herum sitzen vier junge Leute, die emsig dabei sind, das Layout für den neuesten „Brösel" zusammenzustellen. „Wir sind gerade wieder mit einem fertig", erklärt Göttlicher, „leider wieder ein bißchen zu spät. Hoffentlich bekommen wir keinen Ärger mit den Inserenten."

Finanzierung durch Werbung

Der Brösel wird sehr aufwendig gemacht, das geht ins Geld. Deshalb hatte sich Göttlicher von Anfang an eine Finanzierung durch Werbung vorgestellt und auch verwirklicht. Damit wurden die hohen Druckkosten gedeckt; die anfallenden Redaktionskosten wurden mit dem Verkaufspreis von „fuchzig Pfennich" wieder hereingewirtschaftet. Damit war jedoch auch Arbeit verknüpft, sehr viel Arbeit sogar. Armin Göttlicher wußte das. Was er nicht ahnte, war, daß er die allein machen mußte. „Der Armin hat sich die Haken abgelaufen. Aber man hat ihn hängen lassen", erzählt der damalige Leiter der Jugendarbeit, Rainer Helm. Der Jugendrotkreuz-Redakteur wollte die organisatorischen Aufgaben weitgehend allein lösen, hoffte aber auf Hilfe bei der redaktionellen Gestaltung. Doch seine JRK-Kameraden hatten keine Zeit oder keine Lust oder bei des nicht. Schließlich mußte er auch noch die meisten Artikel alleine schreiben, weil sie ihm zwar versprochen waren, aber nie bei ihm „ankamen".
Das Unterfangen „Brösel" drohte, ihm über den Kopf zu wachsen. Mit dem Druck der Inserenten im Nacken biß sich Göttlicher durch allen Unbill. Im Juli 1981 erschien der erste „Brösel".

Mangelnde Mitarbeit

Schwierigkeiten wie die geschilderten gibt es überall, wo eine Zeitung gemacht wird. Beinahe überall wird die mangelnde Mitarbeit als größtes Problem bezeichnet. Zum Beispiel bei „JRK Main-Spessart". Nach einem Seminar „Öffentlichkeitsarbeit" begann 1980 der damalige Leiter der Jugendarbeit (LdJA) Michael Pfennig mit der Herausgabe einer „eigenen Zeitung für uns und nur über uns." Hintergrund für den Aufwand: Die Lokalzeitung ignorierte das Jugendrotkreuz, und als ein Gruppenleiter einmal selbst den Versuch startete und einen Artikel ablieferte, wurde dieser „verfälscht". Doch Michael Pfennig verließ das Jugendrotkreuz aus beruflichen Gründen, die neugewählte LdJA Doris Kaspari stand nun mit einer „eigenen" Zeitung da, und wußte nicht so recht, wohin damit. Aber das Blatt war zwischenzeitlich schon mehrmals erschienen und hatte trotz seiner einfachen Machart (zusammengeheftete Wachsmatrizen-Abzüge) einen großen Leserkreis, kurz: Erfolg. „Die Leute warten immer auf eine neue Ausgabe" berichtet Doris Kaspari „ und das bedeutet für mich: Solange ich hier beim Jugendrotkreuz mitarbeite, erscheint diese Zeitung!"

Doris Kaspari - die Macherin von JRK Main-Spessart

Erscheinungsweise unregelmäßig

Ein großes Versprechen, wenn man bedenkt, daß sie ihre Zeitung fast alleine macht. Ihr treuester Helfer wurde zur Bundeswehr eingezogen und so muß sie halt schauen, wie sie mit ihrem Blatt fertig wird. „Es bleibt mir nichts anderes übrig, als mich kurzfristig an jemand zu wenden, der mir dann hilft". Bisher hat das immer noch geklappt. Was Doris Kaspari und ihren manchmal unfreiwilligen Helfern zugute kommt, ist die Erscheinungsweise: „Unregelmäßig" steht im Impressum. Das bedeutet, daß der Drucktermin keinen zusätzlichen „Druck" ausübt. Wenn wieder eine Ausgabe voll ist, dann gibt's ein neues „JRK-MainSpessart".
Diese Erleichterung haben auch die Redakteure des „JRK-Kreislauf" aus Schwabach in Anspruch genommen. „Doch wir wollen wenigstens einmal im Vierteljahr erscheinen", schränkte der verantwortliche Redakteur Dirk Elies diese Freiheit ein. Aber er hat gut lachen. Mit ihm fabrizieren sechs Jugendrotkreuzler ein „Faltblatt mit Titelbild" wie sie den „Kreislauf" nennen.

die Kreislauf-Redaktion

Spaß beim Zeitungsmachen

Die wackeren Sieben aus der „Montagsgruppe in Schwabach" sind auch immer fest dabei, obwohl die Zeitung vollkommen außerhalb der Gruppenstunden produziert wird. Ihnen macht das „Zeitungmachen" Spaß, und sie gehen fast mit professionellen Ansätzen an ihre Aufgabe: Die einzelnen Redakteure verlassen sich nicht nur auf Artikel, die hereinkommen, sondern "recherchieren vor Ort; für das Layout, die grafische Gestaltung, steht eigens ein „Experte" zur Verfügung, und gedruckt wird bei der Firma von Dirk Elies.
Und weil wir gerade bei (fast) problemlosen Zeitschriften sind, sollte man ein seit zwei Jahren regelmäßig vierteljährlich erscheinendes Blatt nicht vergessen: „Schmierfink" heißt es, und das schirmbemützte JRK-Männchen auf der Titelseite kündet: „Ich bin vom Jugendrotkreuz im BRK Kreisverband Hof". Nur: Ein wichtiges Faktum hebt den Schmierfink von den übrigen JRK-Zeitschriften ab. Es kommt von offizieller Seite, und es versteht sich auch so. Erich Bloß, Leiter der Jugendarbeit: „Wir wollen die Zielrichtung der Gruppen im Kreisverband einheitlicher machen. Es gibt bei uns ja manchmal abenteuerliche Vorstellungen darüber, was das Jugendrotkreuz soll."

Grundsätzliches häppchenweise

Um die Ziele der modernen Jugendarbeit dann auch klarer herauszubringen, dazu genügen natürlich die sechs Seiten Schmierfink vierteljährlich nicht. Aber die Redaktion - das ist der neunköpfige Kreisausschuß - greift sich gelungene Veranstaltungen im Kreisverband exemplarisch heraus, veröffentlicht regelmäßig einen Terminplan und bringt immer wieder in kleinen Häppchen Grundsätzliches über das Jugendrotkreuz. Die Themen werden in einer Sitzung besprochen und verteilt, und selbst das komplizierte Gebiet Technik macht den Hofer Zeitungsbastlern keine Sorge: Die sehr stark Rotkreuz-verbundene Familie Förster druckt die 500 Exemplare kostenlos, das Papier wird vom Kreisverband gestellt.

Bitte nicht so trocken

Warum machen sich junge Leute die Mühe, eine Zeitung zu produzieren? Da ist wohl an erster Stelle ein sehr starkes Mitteilungsbedürfnis zu nennen. Wenn man in einem Zeltlager schon etwas erlebt hat, dann will man das auch weitererzählen. Das ist nur natürlich. Und der Terminkalender, der in allen JRK-Organen zu finden ist, deutet darauf hin, daß sich solche Zeitschriften, die nicht speziell mit der Rot-Kreuz-Thematik befassen, als Informationsübermittler besser eignen als Tageszeitungen. Man kann genauere, interne Details einbringen, und so besser informieren als eine Tageszeitung, die ja nur einen Überblick über JRK-Tätigkeiten bringen kann. Aber nur Termine und Berichte von Rot-Kreuz-Aktivitäten lesen sich auf die Dauer auch etwas trocken. Als erste hat sich wohl Doris Kaspari vom ,,JRK Main-Spessart" einen staubigen Hals geholt. Deshalb forschte sie überall nach Tips, wie man eine Zeitung billig und trotzdem ansprechender aufmachen kann. Ihr Suchen hatte Erfolg: Seit der Ausgabe März '82 gibt es Bilder, Kurzgeschichten, Basteltips, Gedichte und so weiter und so fort. In einer Kleinanzeige wird nach einem Namen gesucht: Ein origineller Einfall soll den bisherigen „Arbeitstitel" ersetzen. Ermöglicht hat dies eine Anzeige eines Geldinstituts auf der Rückseite. „Das soll aber auch die einzige bleiben" war von der Redaktion zu erfahren, „denn sonst bleibt hinter dem Anzeigensuchen der Inhalt zurück".
Nur ein Problem läßt sich auch mit Geld nicht lösen. Die angebotene Meckerecke blieb bislang leer. „Die Leute trauen sich nicht", vermutet Doris Kaspari.

Meckerecke: (k)ein Problem

Die werden schon wissen, warum. Armin Göttlicher vom Brösel kann ein Lied davon singen. Nachdem sein Brösel das erstemal erschienen war, erreichte ihn ein Leserbrief, der „Brösel" lobte und an den „Funktionsträgern" im Jugendrotkreuz Kritik übte. Der Briefescheiber bat Göttlicher, seinen Namen nicht zu veröffentlichen. Über ein derartiges Verhalten mag man denken, wie man will; die Bedenken waren jedenfalls, wie sich im Nachhinein zeigte, berechtigt.
Die Unterschrift „Ein Jugendrotkreuz-Mitglied" erweckte bei einem gewitzten Kopf den Verdacht, Armin Göttlicher hatte sich selbst beweihräuchern, und mit einem Rundumschlag die Mitglieder des Kreisausschusses in der Öffentlichkeit madig machen wollen. Und dies passierte zu einer Zeit, in der sich der neugebildete Kreisausschuß, so LdJA Ludwig Zenger, noch nicht von seinen Anlaufschwierigkeiten erholt hatte. Daraufhin wurden „Vorsichtsmaßnahmen" gegen den „Brösel" erwogen, es folgten Verhandlungen am grünen Tisch, eine Einigung zerbrach schließlich wieder an der Interesselosigkeit der in die Redaktion bestimmten Jugendrotkreuzler.

kein happy end

Heute ist die ehemalige „Hauszeitung" des JRK Nürnberger Land eine finanziell und rechtlich selbständige Jugendzeitschrift. Fünf feste und acht freie Mitarbeiter gestalten das alternative Blatt! Und wenn ein Sprecher des Jugendrotkreuzes versichert, daß man gern bereit sei, wieder mitzuarbeiten, dann stünde dem von Seiten des Brösel nichts im Wege. Nur eine gesonderte Einladung ergeht nicht mehr. Für Armin Göttlicher und seine Leute ist das Jugendrotkreuz nur mehr ein Verein unter vielen, die von selbst auf die Zeitschrift zukommen können

Ein Seminar für Zeitungsmacher!

Wer ist bei Veröffentlichung für einen Leserbrief verantwortlich? Nein, nicht der Autor, sondern der verantwortliche Redakteur, Was muß im Impressum stehen? Wie war das bei der Veröffentlichung von Bildern? Juristische Fragen, die für jedes Presseorgan bzw. dessen verantwortlichen Redakteur beinahe lebensnotwendig sind. Die Antworten auf diese und andere Fragen sowie Hilfe bei Layout-Problemen, bei der Mitarbeiterwerbung und die Möglichkeiten für einen billigen Druck soll ein Seminar vermitteln, das das bayerische Jugendrotkreuz vom 22.-24. Oktober in Hohenfels veranstaltet. An diesem Wochenende soll neben Tips und Tricks auch genügend Raum zum Erfahrungsaustausch für die einzelnen Redaktionen bleiben. Um ein effektives Arbeiten zu ermöglichen, wird das Seminar auf maximal zwanzig Teilnehmer begrenzt. Da für das Seminar viele Materialien bereitgestellt werden sollen, wird von den Teilnehmern wahrscheinlich eine Eigenbeteiligung von 15 Mark an den Seminarkosten erhoben werden.