Schulsanitätsdienst: Erfolgsmodell Weißenburg

Unbestritten: es fällt dem Jugendrotkreuz immer schwerer, Jugendliche zur Mitarbeit in den Gruppen zu bewegen. Unbestritten: mit Unterstützung durch Lehrer könnten wir in den Schulen aktive JRK-Arbeit leisten. Unbestritten: wir müßten wieder mehr Schularbeit leisten und der Schulsanitätsdienst wäre der beste Aufhänger dafür.

N.N.
2/1985

Nachdem die Redaktion erfuhr, daß im BRK-Kreisverband Weißenburg der Schulsanitätsdienst wie eine Bombe einschlug, konnten wir den 'Vater' dieser Schul-Jugendrotkreuzler, Gerhard Grimm, nach seinem Erfolgsrezept befragen

Wie haben Sie den Grundstein für den JRK-Schulsanitätsdienst gelegt?

Die Wichtigkeit des JRK-Schulsanitätsdienstes war mir unbestritten klar, nur der Weg zum Ziel lag noch im nebligen Dämmerlicht. Da man aber für jedes Ding die rechte Zeit abwarten soll, beschloß ich alle Aktionen für den Schulsanitätsdienst gut vorzubereiten und anschließend die Sache langsam anzugehen. Gut Ding will schließlich Weile. Ja und dann überstürzten sich die Ereignisse und ich kann jedem nur wünschen, daß er so viel Unterstützung findet, wie ich sie bekam. Normalerweise führt der erste Weg zum Schulamt, wo der Leiter der Jugendarbeit und der Kreisgeschäftsführer erst einmal die Schulräte von der Tätigkeit eines Schulsanitätsdienstes uberzeugen müssen. Pädagogische Zielsetzungen wie Heifenlernen werden da im Vordergrund stehen; der eigentliche Sanitätsdienst rangiert sicherlich an spaterer Stelle. Bei mir war die Sache nun genau um gekehrt - das Schulamt kam auf mich zu! Anläßlich einer Veranstaltung Jahre Schlacht von Solferino" im letzten Herbst hatte sich Schulamtsdirektor Hurych - er war ein Gast an der Veranstaltung - spontan so begeistert von den Zielen des JRK gezeigt, daß er um Aufnahme in das Jugendrotkreuz bat. Er hatte erfahren, daß der Schulsanitatsdienst - der an einer Schule im Land kreis Weißenburg-Gunzenhausen ein kümmerliches Dasein fristete - bereits zu neuem Leben erweckt wurde. "Können wir das denn nicht mit allen Schulen so machen?", war seine Überlegung. Hoffnungen und Zweifel begannen in mir zu kämpfen. Schön wäre das schon, aber ob da jemand mitmacht. Wir begannen die eben ausgestreuten Nägel mit Köpfen zu versehen.

Wer wird an den Schulen den Schulsanitätsdienst leiten?

In Weißenburg werden dies die Sicherheitsbeauftragten übernehmen, die an jeder Schule vertreten sein müssen.

Welche Altersstufen wollen sie ansprechen?

Da wir eine gewisse Kontinuität erreichen wollen, müssen wir auf jeden Fall die Hauptschulen ab der fünften Klasse ansprechen. Da wir aber auch einige reine Grundschulen haben, werden wir auch die vierten Klassen vorsehen.

Ist ein vollständiger Kurs der Ersten Hilfe erforderlich oder kann es auch ohne ihn gehen?

Wir werden mit einer Grundausbildung anfangen die Wunden, Knochenbrüche, deren Versorgung und den Notruf umfassen wird. Später werden weitere Themen hinzukommen. Eine eigene Zeitung soll den Kontakt halten und der Weiterbildung dienen. In der Hauptschule wird dann ein Erste-Hilfe-Kurs abgehalten.

Wie halten sie die Schulsanitäter bei der Stange?

Wir werden mit den Gemeinden verhandeln, daß die "Schulsanitater" ihren Jahresausflug bekommen - ähnlich wie die Schülerlotsen. Aktionen auf Kreisebene werden wir auch anleiern, einen Wettbewerb vielleicht. Die Sparkassen werden uns - voraussichtlich - mit einem Weihnachtsgeschenk unterstützen.

Wer kauft das Material?

Die Verbandtaschen sind Sache des Schulverbandes, Armbinden, Umhängewesten und Aufkleber wird das JRK stellen. Jeder Schulsanitäter wird den Ausweis als Schuljugendrotkreuzler erhalten.

Wie sind Sie praktisch in den Schulsanitätsdienst eingestiegen?

Dazu ist eine Fortbildungsveranstaltung aller Sicherheitsbeauftragter des Landkreises hilfreich gewesen. Ein Brief, unterschrieben vom Leiter der Jugendarbeit, dem Kreisgeschaftsführer und dem Schulamtsdirektor informierte die Schulleiter, daß wir planen, einen Schulsanitätsdienst einzuführen. Elternbriefe und Einverständniserklärungen werden angefertigt und gedruckt. Ein Organisationsschema und eine "Betriebsanweisung" wurden entworfen, Mappen mit allen Unterlagen für die Sicherheitsbeauftragten zusammengestellt. Sogar Bestellzettel und Rückmeldungen haben wir bereits vorgefertigt. Man muß den Sicherheitsbeauftragten der Schulen so viel Arbeit abnehmen wie möglich.

Wie sahenIhre im Geiste geschaffenen Vorstellungen nun in der Praxis aus?

Von Tag zu Tag wuchs meine Arbeit - und mit der Arbeit wuchsen die Zweifel. Werden die Kollegen von der Schule mitziehen? Es kommt scließlich eine bedeutende Mehrarbeit auf sie zu. So hatte ich schon etwas Angst, als ich in die Tagung der Sicherheitsbeauftragten ging. Schulamtsdirektor Hurych wies in seiner Einleitung auf die pädagogische Zielsetzung der JRK-Arbeit in der Schule hin, ich erklärte den technischen Ablauf des Schulsanitätsdienstes, Kreisvorsitzender Dr. Schneider sprach über die Bedeutung des Helfens, vor allem des Helfens durch junge Menschen. Der Schulleiter der Stefani-Schule - in der die Tagung stattfand - stellte seinen Schulsanitätsdienst vor. Er hatte sogar zwei SSD-Mädchen mitgebracht, die von ihren Eindrücken und Erfahrungen erzählen konnten.

Welchen Eindruck hatten Sie nach dieser Tagung?

Nach der Tagung war es recht unsicher, ob wir bei den Sicherheitsbeauftragten auf fruchtbaren Boden gestoßen sind. Wir haben über 20 Schulverbände und wenn ich für jedes Schulhaus etwa zwanzig Schulsanitäter rechnen würde, käme ich auf ... Als der Meldetermin vorüber war, tröpfelten die Rückmeldungen ein, mehrten sich, wurden zum Strom, rißen uns als Springflut hinweg! 850 Jugendliche wollten Schulsanitäter werden und im Lauf der Zeit kamen noch weitere Meldungen hinzu.

Wie sind Sie mit dieser grossen Zahl an Interessenten fertiggeworden?

Die große Zahl von 850 Schulsanitätern brachte neue Sorgen mit sich. Woher die Ausbilder nehmen? Drei Doppelstunden brauchten wir für die Grundausbildung. Glücklicherweise halfen mir Ausbilderkollegen, von denen auch einige Lehrer sind. Auch andere Lehrer zeigten Interesse selbst Ausbilder zu werden. Seitdem sind wir fast jeden Nachmittag auf Achse. Innerhalb eines Vierteljahres haben wir fast alle Schulsanitäter ausgebildet. Die Aufnahme in die Familie des Roten Kreuzes versuchen wir natürlich im großen Rahmen durchzuführen. Die Schulleiter sind dabei, die Sicherheitsbeauftragten, ein Vertreter des BRK, die Bürgermeister, ein Schulrat und ich, der vom Schulamt zum Beauftragten für den Schulsanitätsdienst berufen wurde. Wir lassen uns zeigen, ob die Schulsanitäter ihre Hilfe gelernt haben und überall gibt der Erfolg unseren Bemühungen recht. Sie verstehen ihr Handwerk, unsere Schulsanitäter!
 

Wie soll nun die weitere Betreuung des Schulsanitätsdienstes von sich gehen?

Nun, wir müssen sie weiterbetreuen. Die eigene Zeitung, deren Titel die Schulsanitäter selbst entworfen haben, ist bereits im Druck. Eine Großveranstaltung soll im Frühjahr alle Schulsanitäter auf einem Fleck vereinen. Lehrer werden selbst in Fortbildungsveranstaltungen ihre Erste-Hilfe-Kenntnisse auffrischen und teilweise zu Ausbildern für die Grundausbildung Schulsanitätsdienst werden. Weitete JRK-Aktivitäten werden wir an die Schulen herantragen, Albenaustausch, Medien über die Rotkreuz-Arbeit Viele Ideen existieren bereits. Der Autbau eines Schulsanitätsdienstes kostet unbestritten viel Schweiß und fordert viel Kraft. Das ist nur möglich, wenn das Schulamt hinter dieser Aktion steht und wenn möglich - wie im Fall Weißenburg - der Leiter des Schulamtes der Leiter der Schularbeit für das Jugendrotkreuz wird und der dann auch viele andere Lehrer mit sich zieht. Unbestritten ist der Schulsanitätsdienst auch eine Sache, die lohnend ist, angepackt zu werden. Es muß nicht gleich so ausarten wie in meinem Falle. Versucht's mir nachzumachen - oder neue Wege zu begehen - und ich freue mich neidlos, wenn ihr mich übertrefft! Und der Schreibkraft im Kreisverband schadet es auch nicht, so viele Mitgliedsausweise zu tippen.

JRK-Lineal für den SSD

Neu entwickelt wurde ein Lineal mit dem Aufdruck "Jugend im Schulsanitätsdienst - mach mit!" Damit kann jeder Jugendrotkreuzler, jeder Schüler aber auch jeder Kreisgeschäftsführer demonstrieren, daß sie hinter der Idee des JRKSchulsanitätsdienstes stehen. Einen nützlichen Nebeneffekt hat der neue Werbeträger: man kann damit einen geraden Strich ziehen, man kann es in die Jacken- oder Hosentasche stecken oder man kann sich in 'Fechtduelle' mit dem Nachbarn einlassen. Weh tut sich keiner daran, da es auf flexiblem - d.h. auf biegsamen - Kunststoff gedruckt ist. Nähere Informationen mit Bestellschein und Preisangaben enthält der JRK-Rundbrief Nr. 347, der in jedem BRK-Kreisverband oder unter der Rufnummer: 089/9241341 zu erhalten ist.