Zeit zum Diskutieren und kennenlernen

JRK-Bundesforum 1983 in Berlin

Georg Soller
1/1984

Eine größere Menge von Menschen hat zwei Mittel der Meinungsäußerung: Pfiffe und Beifall. Die "Menge" der Forumsteilnehmer hat sich an keiner Stelle zurückgehalten, doch den mit Abstand stärksten Applaus konnten sich die Berliner Organisatoren und Betreuer alieine sichern. Die Jugendrotkreuzler aus den 1^ Landesverbänden wollten damit nicht nur honorieren, daß es so gut wie keine Pannen gab, der lang anhaltende Applaus am Ende der Infothek war der Dank für eine einfallsreiche und humorvolle Betreuung, für ein gelungenes Rahmenprogramm und eine herzliche Gastfreundschaft. Das Bundesforum des Jugendrotkreuzes vom 16. bis 20. November 1983 im DJH-Gästehaus am Wannsee hatte einen speziellen Berliner Touch, der alle begeisterte.
Offensichtlich hatten sich die Berliner Jugendrotkreuzler das Motto des Forums besonders zu Herzen genommen: "Menschlichkeit für alle". Unter diesem Generalthema arbeiteten die fünf Arbeitsgruppen besondere Aspekte heraus: Arbeitslosigkeit, Ausländerfeindlichkeit, Umweltschutz, Gefahren der Medien und schließlich auch Menschlichkeit im Umgang miteinander. Gesichtspunkte, bei denen Menschlichkeit auf weiten Strecken leider noch nicht selbstverständlich ist.

neue Konzeption

Die neue Konzeption, die für dieses Forum entworfen wurde, sah also nur fünf Großgruppen mit ca. 30 Leuten vor, die mit mehr Zeit wie früher diese Kompaktthemen sowohl theoretisch wie auch praktisch bearbeiten sollten. Pro Arbeitsgruppe standen drei Teamer zur Verfügung. Da es nun nicht gerade angenehm ist, mit 30 Leuten ständig in einem Raum zu sitzen, teilten sich die Arbeitsgruppen schnell auf und bearbeiteten in Kleingruppen speziellere Aspekte ihres Themas. Diese Arbeitsweise lief zwar dem neuen Forums-Grundgedanken zuwider, ließ aber ein effektiveres Arbeiten zu. Wie die einzelnen Arbeitsgruppen vorgegangen sind, steht in den Kästen im Text. Ausführlichere Ergebnisse werden auch in den nächsten Nummern des "JRK und Erzieher" veröffentlicht.

originelles Rahmenprogramm

Es war erstaunlich mit welch originellen Ideen die Berliner Jugendrotkreuzler den Rahmen des Forums ge
stalteten. Zur Kennzeichnung der Zimmer gab es statt fünfstelliger Nummern Tiernamen. So war der Autor zum Beispiel in der Etage der Affen untergebracht, über seiner Zimmertür prangte groß das Schild: "Gorilla". Der Saal hieß wegen der grünen Hydrokulturen "Paradies" und der Speisesaal "Futterkrippe". Und wer auf eigene Faust Berlin erobern wollte, konnte sich im "Reisebüro" die nötigen Tips holen. Apropos Reisebüro. Vier verschiedene Arten von Stadtrundfahrten wurden dort für den Freitagnachmittag in Berlin City angeboten: Einmal eine allgemeine Besichtigung für die, die zum ersten Mal in Berlin waren. Dann ein Streifzug durch Berlins Wohnverhältnisse, wo die verschiedenen Charaktere der Stadt von der Villengegend bis zum "Dorf" von Marion und Doro eräutert wurden. "Grüne Schlösser Fahrt" lautete der Titel einer Fahrt, die die sechs Berliner Schlösser inmitten der großen Parks ansteuerte. Und in die nähere Vergangenheit ging die letzte Rund-Fahrt, "Spurensicherung", die sich mit weniger bekannten Stätten des Widerstands in der Reichshauptstadt beschäftigte. Frank und Michael wußten zu vielen Häusern und offiziellen Gebäuden grausige Ereignisse aus der Zeit des Nationalsozialismus zu berichten.

Den Ku´damm rauf und runter

Den Abend konnte jeder so verbringen, wie er wollte. Nach einem Abendessen zogen die meisten in irgend eine der vielen Discos, andere suchten die Studentenkneipen auf oder bummelten "den Ku-damm 'rauf und runter", wie es eine "Einheimische" verächtlich formulierte. Anders als beim Bundesforum '81 in München waren die Begegnungs- und Kennenlernzonen uneingeschränkt nutzbar, und auch ein garstiger Hausmeister fehlte ganz. Die Teilnehmer konnten wählen zwischen einem "Programm", einer Spiele-Ecke, Diskutieren oder Singen oder sich in der Disco im Keller austoben. Sie konnten sich in die • Sitzgruben auf den Stockwerken zurückziehen, im Foyer bleiben oder sich einfach in die Stadt verziehen. So zahlreich die Möglichkeiten zum Kennenlernen auch waren, sie wurden nach den Beobachtungen des Autors alle benutzt ... Weil oben gerade vom Programm die Rede war: Ein Schauspieler des "Spreekommödianten" brachte am Donnerstag Abend das Ein-Mann-(Kunst-)Stück "Der kleine Prinz", das mit viel Beifall aufgenommen wurde. Derselbe Schauspieler las am Samstagabend um Mitternacht noch einmal "Gute-Nacht-Geschichten" von Edgar Allen Poe. Im Foyer zwei typische "Börsen", Tauschplätze für die einzelnen Landesverbände: eine Tafel, an der Gruppen die Adressen zwecks gegenseitigen Besuchs austauschen konnten, hing vor dem Eingang zur "Futterkrippe". Und in der Eingangshalle waren für jeden Landesverband je eine Fläche zur Selbstdarstellung bereitgestellt. Die Berliner (und auch die Bonner) Organisatoren interessierte es, wie es denn nun den Gästen aus "Westdeutschland" gefallen hätte: in jeder Empfangsmappe lagen dazu Klebepunkte, die man am Ende jedes (Arbeits-)Tages an einem "Stimmungsbarometer" anbringen sollte. Und wem diese statistische Äußerung nicht genügte, der konnte seine Kritik an der "Meckerwand" wörtlich abgeben.

türkisches Büffet

Am Samstagnachmittag wurde die große Infothek von der Arbeitsgruppe "Keine Ausländerfeindlichkeit" gleich vor Beginn auf eine angenehme Weise verzögert: Es gab ein kaltes Büffet mit türkischen Spezialitäten - selbst-bereitet. Doch dann ging es endgültig los mit der großen Show: Die Medienleute brachten eine "Radiosendung" und ein "Video-Magazin", zum Thema Umweltschutz gab's einen Film (Söhne unserer Erde) zu sehen. Die "Arbeislosen" führten ein Rollenspiel auf, die "Menschlichen" bezogen in ihr Spiel gleich das Publikum mit ein. Zum Schluß diskutierten die Leute, die sich mit Ausländerfeindlichkeit beschäftigt hatten, in einer Podiumsdiskussion über ihre Erfahrungen. Jede Gruppe stellte dazu in einem mehr oder weniger kurzen Infoblock weitere Aspekte ihrer Arbeit vor. Das große "Berliner Büffet" als Abschluß dieser Infothek hatten sich alle reichlich verdient. Dieses große Fest dauerte dann ä la Asterix bis in den frühen Morgen ... Am Ende dieser Mammutveranstaltung herrschte allgemein jene fröhlich-traurige Stimmung, die den Ausklang gelungener Veranstaltungen kennzeichnet. Die neue Konzeption hatte sich durchaus positiv ausgewirkt, ist aber an einigen Stellen durchaus diskussionsbedürftig. Was jedenfalls bleiben muß, ist jener Tag mehr, der sich in Berlin so positiv ausgewirkt hat. Bleiben
sollte auch die übersichtliche Themenauswahl, die Konzentration auf aktuelle Belange. Was in Berlin dabei herausgekommen ist, wird die Dokumentation zeigen, die Anfang 1984 erscheint! Und schließlich sollte man auch 198 5 am nächsten JRK-Forum darauf achten, daß die vielen (räumlichen und zeitlichen) Möglichkeiten zum unorganisierten, persönlichen Kennenlernen wieder geschaffen werden.

AG1 Arbeitslos - individuelles Schicksal:

Es begann mit einer Grundsatzdiskussion. Nachdem sich herausgestellt hatte, daß zwei arbeitslose Jugendliche in der Arbeitsgruppe waren, erzählten sie von ihren Problemen: Vom Frust, nach -zig Bewerbungsschreiben nur Absagen erhalten zu haben, von familiären Problemen, weil sie selbst kein Geld verdienen und überhaupt von finanziellen Schwierigkeiten. Der Film "17 und arbeitslos" illustrierte diese diskutierten Inhalte und zeigte eine Hilfe auf: Eine Gewerkschaftsjugendgruppe machte dem 17jährigen klar, daß nicht er selbst schuld an seiner Situation hat, sondern daß dies jedem passieren kann. In fünf Klein-Gruppen untersuchten die Teilnehmer ArbeitslosenProjekte in Berlin, Beratungssteilen, berufsqualifizierende Maßnahmen, Gewöhnung von längerfristig Arbeitslosen an ein sogenanntes geregeltes Leben, etc. Vorher war ein Fragenkatalog ausgearbeitet worden, die Antworten wurden dann gemeinsam im Plenum ausgewertet. Ansatzpunkte für eine Hilfe durch das JRK wurden gefunden: Man kann auch ehrenamtlich Arbeitslose informieren (nach vorheriger Selbstinformation, was überhaupt geht!), man kann mit zum Arbeitsamt gehen (Rückenstärkung!), einen Arbeitslosen-Treff einrichten, Bewerbungen schreiben helfen, etc. Hilfe bietet auch die "große Familie" Jugendrotkreuz: Wenn jemand zum Beispiel von München nach Köln vermittelt wird, kann man beim dortigen JRK anrufen - und schon hat der junge Mensch zumindest eine erste Anlaufstelle.

AG2 „Keine Ausländerfeindlichkeit" Jeder kennt die Wandschmierereien, deren geläufigste "Ausländer raus" ist. Dies ist aber nur die primitivste Form der Ausländerfeindlichkeit, die intelligenteste dagegen stellt das "Heidelberger Manifest" dar. wo mehrere deutsche Professoren auf heimtückische Art Vorurteile wissenschaftlich formulierten. Und dazwischen liegen hunderte anderer unschöner Formen der Ablehnung. Die Gründe dafür liegen zum Teil in den großen Unterschieden der abendländischen und der morgeniändischen Kultur. Dies zeigte sich schon bei den Teilnehmern, als sie ihren eigenen Umgang mit Türken getrennt männlich/weiblich - untersuchten. Die Emanzipation der europäischen Frauen ist für viele Türken unbegreiflich, ihr Verhalten ihnen gegenüber ist dementsprechend: Zuhaus haben nur die Männer das Sagen. Am schlimmsten ist es für die Kinder: Sie wechseln täglich mehrmals die Kultur: Morgens zuhause, dann Schule, Mittagessen, nachmittags mit Schulfreunden (soweit vorhanden), abends wieder zuhause. Und daheim im eigenen Land gelten sie als "kapitalistische Allemands", bei uns als "Ausländer". Ein entwurzeltes Dasein.

AG 3 „Menschlichkeit im Umgang miteinander" Auch diese Arbeitsgruppe war zweigeteilt. Die eine Hälfte experimentierte mit Spielen aus der Kategorie "Spiele ohne Sieger". Die Spiele wurden ausprobiert, abgecheckt und ausdiskutiert. Es ging dabei um die Gefühle der Teilnehmer zum einen und um die Einsatzmöglichkeit des Spieles in der Gruppenarbeit. Die Teilnehmer hielten am Ende ihrer Arbeitsgruppe fest, daß ihnen Spiele ohne Wettkampfcharakter besser gefallen hätten; sie wären lustiger und freier abgelaufen. Die zweite Gruppe lernte eigene Vorurteile erkennen. Kernpunkt ihrer Arbeit war eine Interview-Reihe mit Türken in Kreuzberg. Natürlich bedarf es bei einem solchen Experiment umfangreicher Vorbereitungen, sowohl was den Inhalt angeht als auch die persönlichen Gefühle der Interviewer. Es war für diese Teilnehmer eine besondere Erfahrung, trotz aller positiven Einstellung zum Thema dennoch Barrieren zu spüren, die sich gar nicht so leicht abbauen ließen. Aus dieser persönichen Erfahrung heraus wurde die Frage diskutiert, welche Bedeutung diese Barrieren für das soziale Engagement des Jugendrotkreuzes haben.

AG 4 „Mensch und Umwelt"
Die erste Diskussion begann mit einem optischen Reiz: In einer Dia-Serie stellten die Referenten Naturfotos und Abbildungen von Industrieanlagen gegenüber. Als Ergebnis dieser oft langen und ausholenden Diskussionen kamen Sätze zur Beziehung des Menschen zur Natur heraus. Die Menschheit muß eine ihrer hochtrabenden Einstellungen ändern, will sie nicht untergehen: Denn der Mensch ist nicht Herr der Natur, sondern, wie sich langsam herausstellt, nur ein Teil von ihr. Ein Teil der Arbeitsgruppe machte auch eine Exkursion zu den Wohnverhältnissen in Berlin. Man stellte dabei fest, daß die Architekten oft sehr wenig an den Menschen denken und ihn der Optik unterordnen. Der Rest begab sich in der City auf die Straße und fragte die Leute nach ihren persönlichen Beiträgen zum Umweltschutz. Um das Argument "Sollen doch erst mal die Industriekonzerne anfangen" zu entkräften, hier zum Schluß noch eine hübsche Parabel: Ein armes Paar heiratete und lud die Freunde zu einem Hochzeitsfest ein. Jeder sollte eine Flasche Wein mitbringen, und damit alle die gleiche Güte zum Trinken bekämen, wurde alles in einen Topf geschüttet. Doch am Ende war nur Wasser im großen Topf, weil alle Freunde glaubten, auf ihren Beitrag käme es nicht an!

AG 5 „Menschlichkeit durch und mit Medien" Die 31 Leute bewältigten ein Mammutprogramm: Sie hörten etwas über den Umgang mit Video-Kamera und Mikrofon, probierten das sofort aus und hielten dann ihre Arbeitsgruppen-Ergebnisse gleich mit diesen neuen Medien fest. Drei Unterbereiche des ohnehin endlosen Themenbereichs wurden dann genauer zerpflückt: Die Machenschaften der Werbeleute und ihre Wirkungen, die Manipulationen von Zeitschriftenmachern ä la BRAVO und schließlich die positiven (anwendbaren) und negativen Aspekte des Video-Booms. Interessant und schwierig zugleich war für die Teilnehmer das Umsetzen der diskutierten Inhalte in ein "Drehbuch". Man konnte sich nicht mehr mit allgemeinen Aussagen behelfen, sondern mußte sich mit konkreten Beispielen auseinandersetzen. Dazu mußten sich die einzelnen Autoren des "Video-Magazins" auch noch Gedanken über die Bildführung machen: Dabei kamen einige ganz schön ms Schwitzen ... Noch ein Zitat aus der Abschlußbesprechung: "... ich glaube, ich werde Filme in Zukunft mit ganz anderen Augen sehen".

Jugendrotkreuz - echt affengeil

Bei der Infothek trug Walter Wiberny (Landesverband Nordrhein) einen alternativen Werbetext in neuem deutschen Jugendjargon vor. Seine Ausführungen drucken wir ungekürzt ab, weil wir glauben, daß das JRK seine Sache nicht nur tierisch ernst sehen sollte: Liebe Freunde, wir alle machen uns Sorgen um die Zukunft unseres Verbandes. Doch lassen Sie uns nicht über das Wenn und Aber sowie das Rauf und Runter diskutieren. Hier hat sicherlich jeder seine eigene Anschauung. Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang einen Randbereich unserer Arbeit ansprechen: Die Jugendlichen. Woran liegt es, daß das JRK in einigen Landesverbänden nicht mehr so attraktiv ist, wie wir es uns wünschen. Darüber habe ich mir als jemand, der schon sehr lange in der Jugendarbeit steckt, einige Gedanken gemacht und habe mich gefragt: Woran liegt es? Nun gut, ich bin zu dem Entschluß gekommen, es liegt an den Jugendlichen. Viele Jugendliche wissen nicht, was sie wollen und wenn sie es wissen, sagen sie es laut. So geht es doch nicht. Nun gut. Auch wir Erwachsenen müssen umdenken. Vielleicht kann eine neue Form von Öffentlichkeitsarbeit hier Abhilfe schaffen. Eine Variante stelle ich Ihnen hier vor. "Also in der letzten Zeit war ich total abgebaggert, hatte die richtigen Hänger, jeden Abend das Gesülze inner Glotze mit meinem Alten zusammen. Die ziehn doch auch nix mehr vom Teller. Vorigen Dienstag, wat passiert, ich denk dat checks du nicht, powert mich son Typ an, ob ich nich Bock hätte, ins JRK zu kommen. Die hätten echt ne gute Message, haben nix drauf mit der Ökopax-Welie. Ich denk, gehste mal mit, wenn da die tote Hose is, kannse dich ja ableinen. Vielleicht haben die wirklich ein paar gute Vibrations. Ja, ich geh mit, und wat is los, ich denk ich werd zum Elch. Alles total easy, echt wahnsinnig, kein dummes Rumsülzen, irre cooles Feeling. Kenn se dat, Realistische Unfalldarstellung? Fahr ich total drauf ab, kannse abheben, das haut dir echt die Wurst: ausser Pelle. Die haben immer 'sonne Gruppenstunde mit sonnem Gruppenleiter, son Zampano, keiner nervt dich, keine Panik und wat dat obergeilste is, da kannse auch mal ne Schnecke angraben. Da laufen irre geile Sahneschnitten rum, scharfe Käthe. Kriegste wirklich gute Connection und die Typen sind auch astrein; kannse anpowern, kein Schleimi oder Mufti dabei. Mensch, ich im Jugendrotkreuz, dat müsse dir ma rein tun. Du denkst vielleicht, ich hätte nen Sockenschuß, ne, ich bin gut drauf. Da kannse alles: rumhängen, labern, die Post abfahren lassen; eben coole Action. Also wenn de mich fragst? Jugendrotkreuz - echt affengeil!

aus der Eröffnungsrede des Präsidenten des DRK, Botho Prinz zu Sayn-Wittgenstein Hohenstein

Der Präsident sprach in seinem Grußwort von "Chancen und Risiken zugleich", die die eigenständige Durchführung des Forums für das Jugendrotkreuz in sich berge. Die Chancen lägen in der Erörterung der Themen, "die die junge Generation bewegen", die Risiken in den Schlußfolgerungen aus diesen Diskussionen. Prinz Wittgenstein wies in diesem Zusammenhang auf den Grundsatz der Neutralität hin. Er warnte davor, Bekenntnisse zu erarbeiten, die mit den Grundsätzen des Roten Kreuzes nicht vereinbar seien, oder die das Jugendrotkreuz mit anderen Gruppen verwechselbar oder gar austauschbar machten. "Damit ist keinerlei Beurteilung oder Bewertung solcher Bekenntnisse verbunden" fügte der Präsident an, "und ich ermuntere ausdrücklich diejenigen unter Ihnen, die in unserer Gesellschaft etwas verbessern wollen, auch in den politischen Gruppierungen unseres Staates mitzuarbeiten, wo Sie eben Übereinstimmung mit Ihren Auffassungen finden". Unter dem Eindruck der Spenden für die Erdbebenopfer in Anatolien in Höhe von 3 Mio. Mark - trotz Ausländerfeindlichkeit - wies Prinz Wittgenstein auf die weltweite humanitäre Arbeit des Roten Kreuzes hin, die erst durch die Eigenart des Roten Kreuzes möglich sei, politische, rassische oder sonstige Unterschiede nicht zu beachten. Dies gelte auch für den Beitrag des Roten Kreuzes auf der Suche nach dem Frieden. Er bedankte sich beim Jugendrotkreuz für die Unterstützung bei dem Versuch, die Genfer Zusatzprotokolle weltweit durchzusetzen. Erst vor wenigen Tagen hätte die Volksrepublik China als erste große Nation ihren Beitritt dazu hinterlegt. Doch die Zusatzprotokolle, so wichtig sie seien, "sind ein humanitäres Kriegsrecht, also ein Recht für den Krieg. Und wir wollen ja mehr," sagte der Präsident unter Beifall. Die weltweite Abrüstung und das weltweite Verbot von ABC-Waffen sei eben mehr und wichtiger. "Für uns gilt das Primat der Friedenssicherung". Das Rote Kreuz wolle sich gleichzeitig dafür verwenden, daß überall die Menschenrechte beachtet und geachtet würden.

DRK-Präsident Botho Prinz zu Sayn-Wittgenstein Hohenstein