Zu Gast beim Amerikanischen Roten Kreuz

Im Sommer dieses Jahres verbrachte ich die erlebnisreichsten, interessantesten und auch heißesten sechseinhalb Wochen meines Lebens.

Brigitte Hofmann
1/1984

Der Bezirksverband Unterfranken meldete mich als eine der sechs deutschen Delegierten für einen internationalen Jugendaustausch mit dem Amerikanischen Roten Kreuz in die USA an. Am 11. Juli trafen sich die sechs deutschen JRK'ler, drei Jungen und drei Mädchen - aus vier verschiedenen Bundesländern - aufgeregt und voller Erwartungen am Frankfurter Flughafen. In Washington D.C. angekommen, brachte man uns nach einer freundlichen Begrüßung zum Nationalen Präsidium des Amerikanischen Roten Kreuzes. Unsere erste Woche dort sollte uns zum gegenseitigen Kennenlernen dienen, denn auch jeweils sechs Delegierte aus England, Italien, Kanada und Japan, sowie vier Delegierte aus Frankreich gehörten zu diesem Austauschprogramm. "Unsere Welt - Unsere Zukunft - Unsere Verantwortung", lautete unser Thema, mit dem wir uns in Seminaren und Workshops vertraut machten. Weitere Themen, wie "Funktionen eines Gruppenleiters", "Erziehung", "Medien heute", "Frieden", usw. waren zur Diskussion gestellt. Sie waren unterteilt m "Probleme-Lösung-Jugend in Aktion".

Zu Besuch bei den Botschaften

Zu Besuch bei den Botschaften Der Höhepunkt unserer ersten Woche war der Besuch der Botschaften unserer sechs Delegationen. Schließlich wurden wir in acht Teams eingeteilt, in denen wir die folgenden viereinhalb Wochen das Rote Kreuz in jeweils drei verschiedenen Staaten besuchen sollten. Mein Team setzte sich zusammen aus einem Engländer, einem Japaner, einer Italienerin, einer Französin und mir.
Unser erstes Ziel war die kleine Stadt Marion. in Ohio. Dort brachte man uns von einem Fernsehinterview zur nächsten Radiozentrale, von dort zur Presse, und dann ging es wieder von vorne los. Der Höhepunkt in Marion war ein Festabend in einem Gefängnis, in dem ein Rotkreuzverband von einem Gefangenen gegründet wurde und auch geleitet wird. Als Ehrengäste durften wir bei den Ehrungen der auszuzeichnenden Rotkreuzler mitwirken. In Oklahoma, dem Staat der Indianer, besuchten wir die Blutbank, ein Rock'nRoll-Konzert sowie ein Western-Bühnenstück auf einer Freilichtbühne. In unserer vierten Woche nahmen wir
noch in Oklahoma an einer Art Gruppenleiterlehrgang, zusammen mit 60 amerikanischen Jugendlichen, teil. Dort konnte man aus dem vielfältigen Angebot Kurse, wie "Information über Alkohol", "Umgang mit Behinderten", "Katastrophenschutz", "Gesundheitserziehung", usw. wählen. Ein ähnliches Seminar, diesmal aber bereits in Conroe, Texas, gab es in der fünften Woche für uns. Einige Programmpunkte dort lauteten: "Wie treffe ich Entscheidungen?", "Wie bewältige ich Stress?", aber auch Schwimmen und das Erlernen von Country-Tänzen war geboten.

Ehrenbürger von Houston

Nach diesem Camp fuhren wir nach Houston, Texas, so uns der Bürgermeister jeweils mit einem Cowboy-Hut und einer Urkunde zu Ehrenbürgern von Houston ernannte. Wasserskilaufen, Besuch eines Rodeos und einer Öl-Raffinerie standen mit auf dem vielseitigen Freizeitprogramm. Doch wirklich aufregend wurde es erst zwei Tage vor Abflug zurück nach Washington: Sturmwarnungen veranlaßten die Rotkreuzler, Vorbereitungsmaßnahmen für die drohende Katastrophe zu treffen. In den Büros herrschte Hochbetrieb, die Situation spitzte sich zusehends zu. Glücklicherweise konnten wir unseren Flugtermin doch noch wahrnehmen. Erst eine Stunde nach unserem Abflug schlug der "Hurricane Alicia" mit unerwarteter Windstärke Houston. Schließlich waren alle 3h "Internationals" wieder in Washington D.C. zur letzten Woche vereint. Es gab ja nun so viel zu erzählen und zu hören. Außerdem schrieben wir Berichte für die Veranstalter dieses Austausch-Projektes, was wirklich recht anstrengend war. Der 2h. August, der Tag der Heimreise, war viel zu schnell gekommen. Die Verabschiedung von unseren neuen Freunden Dieselbe Wehmut erfüllte uns aber auch schon an jedem einzelnen Wochenende vorher, an dem wir eine unserer fürsorglichen Gastfamilien verlassen mußten, jedoch verbunden mit der Vorfreude auf eine neue, ebenso nette Familie am nächsten Ort. Das Amerikanische Rote Kreuz betreffend, beeindruckte mich die Vielzahl und Vielfalt der Aktivitäten, wie z. B. die Gewichtigkeit des Katastrophenschutzes, das ausführliche Rotkreuzprogramm in Schulen, die Vielzahl der Ehrenamtlichen in Krankenhäusern und vieles mehr. Auch die Gruppenleiterlehrgänge bzw. -freizeiten überraschten mich, wenngleich ich auch oft den theoretischen Hintergrund, vor allem die Grundsätze des Roten Kreuzes betreffend, vermißte. Erstaunlich für mich war die Tatsache, daß das Amerikanische Rote Kreuz nicht für den Rettungsdienst oder den Krankentransport zuständig ist.

Fremde Weltanschauungen tolerieren

Dieses Austauschprogramm ermöglichte uns, andere Nationen und deren Kulturen kennenzulernen. Als umherreisende, internationale Familie erfuhren wir die Wichtigkeit von Verantwortung, aber nicht nur uns betreffend, sondern auch für unsere Mitmenschen. Den für uns bisher fremden Weltanschauungen lernten wir offen und tolerant gegenüberzustehen. Als Jugendliche von heute und Erwachsene von morgen wurde uns unsere Verantwortung für den Weltfrieden in der Zukunft bewußt. Könnte dieses Austauschprogramm jährlich fortgeführt werden, wäre es sicher ein nützlicher Beitrag, eine "stabile Menschlichkeitsbrücke" über die ganze Weit zu bauen.