Wir - das Jugendrotkreuz

Ende Mai dieses Jahres erreichte das Jugendrotkreuz (JRK) das Rentenalter, was es aber sicher nicht dazu verleiten wird, sich auf das Altenteil zurückzuziehen

Josef Reindl
3/1985

Aus der Taufe gehoben wurde das JRK auf einer Sitzung des Hauptvorstandes des Deutschen Roten Kreuzes am 25. Mai 1925. Bereits Jahre vorher beteiligten sich Kinder und Jugendliche an der Arbeit des Roten Kreuzes. Beispielsweise berichteten österreichische Delegierte auf der Internationalen Rotkreuzkonferenz in Rom im Jahr 1892, daß in Ihrem Land Kinder zu Rotkreuz-Arbeiten herangezogen wurden. Diese Kinder und Jugendliche waren vor allem in Betreuungs- und Pflegearbeiten tätig. Schon vor Beginn des Ersten Weltkrieges wurde versucht, Kinder enger in die Arbeit des Roten Kreuzes einzubeziehen, wobei es aber noch nicht gelang, eine feste Organisation aufzubauen. Die Geburtsstunde des eigentlichen Jugendrotkreuzes schlug 1914 in Kanada. Dort sammelten Kinder Geld, um für verwundete Soldaten medizinisches Gerät und Medikamente zu beschaffen. Nach Ende des Krieges versuchten die Rotkreuz- und Jugendrotkreuzgesellschaften der Siegermächte der leidenden Zivilbevölkerung zu helfen. So stellte beispielsweise das Amerikanische Jugendrotkreuz Mittel zur Errichtung von Schulen, Spielplätzen und Kindergärten zur Verfügung. Dabei wur
de auch versucht, den Charakter des Roten Kreuzes als Organ der Völkerverständigung noch stärker zu betonen. In Deutschland gab es in den 20er Jahren bei der damaligen Jugend starke Bestrebungen, sich von den Zwängen in Schule und Elternhaus zu befreien. Das führte zur Gründung verschiedener Jugendbewegungen, die für die Jugendlichen eine Gemeinschaft von Gleichgesinnten darstellten. Auch das Rote Kreuz stand nicht abseits und gründete nach anfänglichen Widerständen im Verband eine eigene Jugendorganisation, das Jugendrotkreuz, um den Jugendlichen einen Platz im Verband zu geben. Das Rote Kreuz wollte die Jugendlichen zu Rücksichtnahme auf die eigene Gesundheit und zum Dienst am Nächsten erziehen.

JRK in Schulen

Beim Aufbau des JRK konzentrierte man sich dabei ganz auf die Schulen. Das JRK sollte im Unterschied zu allen anderen Jugendgruppen eine Bewegung unter den Schulkindern sein. Deshalb setzte man auch besonders auf die Mithilfe der Schule und der Lehrer. Mit diesem Konzept hatte man den erhofften Erfolg. Viele Lehrer erklärten sich bereit, JRK-Gruppen aufzubauen und zu betreuen. Über die Kinder hatte diese Arbeit auch Auswirkungen auf die Eltern, die vom Engagement ihrer Kinder tief beeindruckt waren. Ein Jahr nach Gründung des JRK im Jahr 1926 wurde eine eigene Zeitschrift herausgegeben, die "Deutsche Jugend", deren Beliebtheit - ablesbar an der Zahl der Abonnenten - ständig anstieg. Ende der 20er Jahre waren weltweit bereits acht Millionen Schüler Mitglied des JRK. Anfang der 30er Jahre aber erschwerte sich die Arbeit des JRK durch das verstärkte Auftreten der Nationalsozialisten und ihres Jugendverbandes der Hitlerjugend - an der Schule. Wegen seiner internationalen Beziehungen wurde nun das JRK von den Nationalsozialisten angegriffen. Speziell der Nationalsozialistische Lehrerbund hetzte gegen das JRK und die mit ihm verbundenen Lehrer. Dem JRK wurde wegen seiner Verbindungen zum Amerikanischen Roten Kreuz unterstellt, Sprachrohr der "jüdischen Weltoffensive" zu sein. Vor allem aber auch der pazifistische Grundgedanke, der hinter den Ideen des Roten Kreuzes stand, war den Nazis ein Dorn im Auge.

Zeitschrift "Deutsche Jugend"

Im Sommer 1935 schließlich wurde das Erscheinen der Zeitschrift "Deutsche Jugend" vom Roten Kreuz eingestellt. Von da ab verlor das JRK an Bedeutung. Nicht nur alleine wegen der Einstellung seiner Zeitschrift, sondern vor allem deshalb, weil die Hitlerjugend zentrale Ideen des Roten Kreuzes wie Rücksicht auf die eigene Gesundheit oder Dienst am Nächsten übernommen hatte. Nach zwölf Jahren Faschismus und fast sechs Jahren Krieg mußte nun das Rote Kreuz und das Jugendrotkreuz wieder aufgebaut werden, was anfangs von den Alliierten verboten wurde, weil sie im Roten Kreuz eine Nazi-Organisa
tion sahen. 1950 erfolgte dann aber die bundesweite Gründung des "Arbeitsausschusses Jugendrotkreuz" durch das Präsidium des Deutschen Roten Kreuzes, dessen Aufgabe es war, das JRK wieder aufzubauen.

Grundsätze von 1949

Bereits 1949 wurden Grundsätze und Richtlinien auf einer Tagung in. Virnsberg formuliert. Das JRK sollte seine Mitglieder dazu erziehen, jedem Menschen Hilfe zu leisten, unabhängig vom Ansehen der betreffenden Person. Die Jugend soll angeregt werden, ihre Aufgaben zu erkennen und jeder einzelne soll sich bereitfinden, etwas für seinen Mitmenschen zu tun. Vor allem sollen Kinder und Jugendliche lernen, auf ihre eigene Gesundheit zu achten und sich zum Dienst am Nächsten bereitfinden. Dabei soll die Erziehung zu partnerschaftlichen Verhalten untereinander auch den Weg zu einem friedlichen Zusammenleben der Völker ebnen. Im Gegensatz zur Zeit vor 1945 wurden jetzt nicht nur JRK-Schulgemeinschaften gegründet, sondern auch außerschulische Gruppen, die oft aus Schulgemeinschaften entstanden. Diese sogenannten "JRK-Bereitschaften" sollten außerhalb der Schule gleichaltrigte Jugendliche zum Dienst im Roten Kreuz gewinnen und sie für ihre Tätigkeit ausbilden. 1951 erklärte Frau Dr. Altmann, Vorsitzende des JRK-Arbeitsausschusses und Mitglied des DRK-Präsidiums: "Der Aufbau des JRK in den meisten Landesverbänden kann als abgeschlossen gelten". 1952 wurde auch ein erster bundesweiter Informationsdienst gegründet, der sich "Jugendrotkreuz und Erzieher" nannte. Die Studenten-Unruhen des Jahres 1968 wirkten sich sehr schnell auf die Jugendverbände aus, so auch auf das JRK. Leitwort des Roten Kreuzes und auch des Jugendrotkreuzes war immer das Wort "Ich diene", worunter der Dienst an der Gesundheit, der Dienst am Nächsten und der Dienst an der Völkerverständigung verstanden wurde. Diese Werte wurden aber nun von einem Großteil der damaligen Jugend nicht mehr angenommen, im Gegenteil - man wies jede Verpflichtung von sich. Trotz aller Schwierigkeiten der damaligen Jugendarbeit entwickelten die Jugendverbände neue Grundlagen für ihre Arbeit. Sie öffneten sich für unorganisierte Jugendliche und sahen sich nunmehr als Sprecher ihrer Generation. Durch eine Vielzahl an Angeboten wurde versucht, Antworten auf die Fragen zu geben, die die Jugendllichen damals beschäftgiten. Kurze Zeit später - im Jahr 1971 fand in Wewelsburg/Westfalen das JRK-Bundestreffen statt, zu dem Delegierte aus allen Bundesländern angereist waren. Auf dem Bundestreffen wurden neue Verbandsstrukturen diskutiert und versucht, den einzelnen Mitgliedern mehr Mitbestimmungsmöglichkeiten im Verband zu geben. Dadurch wurde der Jugendverband Jugendrotkreuz zu dem Gebilde, das er auch heute noch darstellt.