Gruppenleiter aus dem KV Rosenheim in "Bayerns Hollywood"

Letzte Instruktionen von der Regie, dann die altbekannten Kommandos: "Ruhe, Aufnahme! Spots on! Ton ein, Kamera ab! Klappe: 'Weltraumromanze; Finale, die Erste!' Und Aktion!"

Andreas Grün
4/1987

Sterne leuchten durch die Fenster des ruhig durch das All fliegenden Raumgleiters. Galant verabschiedet sich Josef mit einem Handkuß von seiner Geliebten und verläßt den Kommandostand. Bald darauf dringt ein Hilferuf an sein Ohr: Seine Geliebte ist in der Hand eines Weltraummonsters! Josef zögert keinen Augenblick: Ganz Kavalier, stürzt er sich mutig in den Kampf mit dem Untier, ehe er nach hartem, zähen Ringen das Monster mit einem kräftigen Tritt aus dem Raumfahrzeug befördert und seine Geliebte wieder in die Arme schließen kann... Ein neuer Kinoschlager mit einem JRK-Gruppenleiter als männlichem Hauptdarsteller? Nach der beschriebenen Szene könnte man es fast glauben. Dabei war alles ganz anders: Der KV Rosenheim hatte als Dank für die arbeitsreiche und verantwortungsvolle Tätigkeit seinen JRK-Gruppenleitern eine Besichtigungstour durch das Bavaria-Filmgelände Geiselgasteig spendiert. So entstand auch die Szene "Weltraumromanze", die als Demonstrationsprojekt für die Besuchergruppe auf Video aufgezeichnet wurde. Berühmte Streifen entstanden hier in Bayerns Hollywood: "Enemy Mine" beispielsweise, oder "Das Boot" und nicht zu vergessen "Die unendliche Geschichte". Während einige der Hallen, darunter die beiden größten europäischen Ateliers für laufende Produktionen ausgestattet werden, sind einige andere als "Filmmuseum" für die Besucher eingerichtet. So ist eine Halle ganz den diversen Weltraum- und Kriminalfilmen gewidmet; sie enthält Kulissen und Utensilien aus verschiedenen Weltraumstreifen, daneben hängt in einer Glasvitrine die Jacke, die "Schimanski" Götz George berühmt gemacht hat. Schwarz und blutrot ist eine Schulter verschmiert - Schimanski bekam in dem Film einen Schuß in die Schulter ab. In einem Fernsehraum wurden dann in kurzen Filmausschnitten die Hauptarbeitsgänge bei der Filmproduktion erläutert: Maske, Techniken, Tricks und die Arbeit mit Modellen, ohne die es in den heutigen Filmen gar nicht mehr ginge. "Alle möglichen Nationen kommen hierher zum Drehen", erklärte unser Führer: "Die Amerikaner, weil sie hier Ruhe vor den Schwierigkeiten mit den Gewerkschaften haben; die Italiener, weil bei uns die Streikgefahr geringer ist als zuhause; die Russen, weil ihre Filmtechniker noch nicht soweit sind; und andere Länder, die sich für ihre Produktionen entweder kein eigenes Geiselgasteig leisten können oder die Fachkenntnisse unserer Spezialisten brauchen - wie etwa die unseres Spreng-Experten Charlie Bum-Bum". Dabei werden dann auch ohne alle nationalen Hemmungen vorhandene Kulissen aus früheren Produktionen kurzerhand für den eigenen Bedarf umgestaltet. Als Beispiel dafür dient die ehemalige Bergarbeitersiedlung "Rote Erde", die mit süßlichen Bonbonfarben gestrichen wurde und dann den Hintergrund für die US-Serie "Toy Land" (Spielzeugland) abgab. Durch ein Stadtviertel Münchens aus dem vorigen Jahrhundert, dessen "steinerne" Hauswände aus gestrichenem Holz bestehen, gelangten wir zu der Halle, in der Figuren aus der "Unendlichen Geschichte" beisammenstehen. Fuchur, der Glücksdrache, liegt da vor dem "Luftbild" einer Landschaft, der Felsenbeißer droht mit seinem straßenwalzen-artigen Riesenfahrrad die Besucher zu überrollen, und die Schildkröte sitzt ruhig inmitten ihrer Film-Gefährten. Die Herstellung und der Unterhalt dieser Figuren, die für die verschiedenen Filmszenen in den unterschiedlichsten Grössen existieren, ist so schwierig, daß dafür extra teure Experten aus den USA eingeflogen werden müssen - so eine Freigabe zum "handfesten" Besichtigen nimmt die Figuren doch ganz schön mit, sodaß sie von Zeit zu Zeit eine Regenerations-Kur brauchen. Vom Märchenfilm "Unendliche Geschichte" ging es am
Mini-Atlantik mit U Metern Tiefe vorbei zu dem Boot. Auch hiervon gibt es Modelle in allen Größen, auch von Details: vom wohnzimmertauglichen "Bausatz" bis zu originalgetreuen Kopien des gesamten Schiffs sowie des Turms. Wenngleich der Durchstieg durch die niedrigen Schotten auf dem ungewohnt glatten Metallboden mit regennassen Schuhen sich für einige etwas schwieriger gestaltete, wurde das Boot doch vom Achtersteven bis zum Bug einer genauen Inspektion unterzogen. Abschließend gab es dann mit dem "Boot am reißenden Fluß" noch einmal einen Blick in die reichhaltige Trickkiste der Filmemacher, ehe uns unser Bus nach dem Mittagessen in die Wirklichkeit zurückholte. Doch auch auf der Rückfahrt gab es noch viel Gaudi, ehe der gemeinsame Ausflug beim Kaffee ausklang.