Odyssee in "Wonderful Romania"

Biggi Zwerger und Sabine Pauß nahmen am Internationalen JRK-Camp teil

Biggi Zwerger
4/1987

Angefangen beim Anruf meines Gruppenleiters, der mir von der Möglichkeit, zum Camp zu fahren, berichtete und meine Entscheidung am liebsten sofort gehört hätte, bis zur Abfahrt des "Orient-Express" vom Münchner Hauptbahnhof, die wir beinahe nur noch vom Bahnsteig anstatt vom Zuginnern aus mitgekriegt hätten, schien das "Rumänische Abenteuer" recht streßig zu werden. Sabine, mit der ich seit unserer letztjährigen Fahrt nach England fest befreundet bin (hey, sister!) und ich:Eine einzigartige Kombination, unerschrocken, waghalsig und vor allem neugierig auf das, was uns erwarten würde. Denn außer dem Zeitpunkt der An- und Abreise wußten wir keine Einzelheiten - das rumänische Rote Kreuz hatte etwas mit Informationen gespart. Thilo Fleischmann versorgte uns beide noch großzügig mit Proviant für die lange Bahnfahrt - und dafür sind wir ihm ganz besonders dankbar, denn in Rumänien war es um Naturalien (Hungääärrrü!) äußerst schlecht bestellt. Mittwoch morgen fuhr besagter "Orient-Express" also mit uns in Richtung Wien ab (hiermit möchte ich mich herzlichst bei der Deutschen Bundesbahn für die dreiminütige Verspätung bedanken!). Die erste Stunde Fahrt verbrachten wir damit, unsere acht (!) Gepäckstücke vom letzten Waggon (es gab insgesamt 16), den wir gerade noch erwischt hatten, in den vordersten, wo unsere Sitzplätze reserviert waren, zu schleppen. Dann erst begann der gemütlichere Teil der Hinreise. Das Glück war uns hold bei der Auswahl der Reisegenossen, denn den zwei Rumäninnen, die bis Wien in unserem Abteil saßen, bereitete es sichtlich Freude, uns die Grundbegriffe ihrer Heimatsprache beizubringen: "multumeso" = danke. In Wien siedelten wir nach einstündigem Aufenthalt in ein überraschend komfortables Schlafwagenabteil um und machten es uns gerade richtig bequem, als die österreichisch-ungarische Grenze in Sicht kam. Die Zollkontrolle verlief problemlos, doch dann kam die Überraschung: Visa? "Nein, ein Visa für Ungarn brauchen wir nicht, wir reisen nur durch" - zumindest lautete so die Information, die Thilo Fleischmann von der rumänischen Botschaft und wir von ihm bekamen... Der Kommentar des durch nichts bestechlichen Beamten (selbst das hochoffizielle Einladungsschreiben des rumänischen Roten Kreuzes beeindruckte ihn nicht ihm geringsten) war kurz und bündig: "Fehlinformation, aussteigen". "Zufällig" wartete ein Freund des Freundes des Grenzers, der "zufällig" Taxifahrer ist und uns freundlicherweise
zu einem "günstigen" Tarif zur nächsten Autobahngrenze fahren könnte, wo wir unser Visa erwerben und von da aus die über hundert Kilometer nach Budapest, wo der "Orient-Express" Aufenthalt hat, "fahren" könnten... Nun, da unsere Wahlmöglichkeit gleich 0,0 Prozent war, nahmen wir also das überaus freundliche Angebot des Grenzers an, der dann dem "Freund des Freundes" per Telefon Bescheid gab. Mit einer Münchnerin, die unser visaloses Schicksal teilte, "fuhren" wir also mit Tempo 210 bis 240 auf der ungarischen Autobahn in Richtung Grenze, wo man unseren Devisenjäger (denn dieses Geschäft ist nichts anderes als eine Devisenjagd) = Taxifahrer schon kannte und wir unsere Stempel in den Paß gedrückt bekamen... Mit unveränderter Geschwindigkeit "flogen" wir bis zum Budapester Bahnhof, wo wir von einigen Mitreisenden, unter anderem von unseren Rumänischlehrerinnen, mit Zurufen und "Victory"-Zeichen begrüßt wurden.
Ais wir ins Schlafwagenabteil zurückkehrten,
fanden wir alles unverändert
vor (sogar die Abfalltüte und die Reste
des verfrühten Abendessens lagen noch
da) und fühlten uns richtig heimatlich.
Bis zwei Uhr morgens verlief die
Fahrt friedlich, dann weckte uns der
galante Schlafwagenschaffner zur Kontrolle...
Alle fünf Minuten eine andere Kontrolle,
die obligatorischen Komplimente, die obligatorischen Fragen nach Kaffee und nach Mariboro, wobei es nicht um den Zoll ging, sondern um die Möglichkeit, diese Dinge abzukaufen... Ein Mitreisender, der anscheinend
schon seine Erfahrungen mit rumänischen Grenzern hatte, versorgte diese,
"natürlich uneigennützig", mit ein paar
Flaschen Cognac, dafür wurden ihm die
lästige Kontrolle der Gepäckstücke und
uns das Geld für das Visum erlassen.
Daß wir als Dank dafür ein ganzes
Zahnputzglas voll Cognac trinken sollten,
war wohl ein nett gemeinter Zug
des Soldaten, aber wir zogen es nach
ein paar Schluck vor, das edle Getränk
dem Abfluß zu überlassen, nachdem der
edle Spender im nächsten Abteil verschwunden
war...

Die restlichen paar Stunden Schlaf
taten uns unheimlich gut, besonders
weil wir in den zwei Wochen im Camp
zum Schlafen nicht viel Gelegenheit haben
sollten... In Bukarest erwartete uns
das russische Team mit einem höheren
Vertreter des rumänischen JRK. Im
Wartesaal hatten Bine und ich die
Chance, die Russen besser kennzulernen
bei ersten Gesprächen - in französischer
und in deutscher Sprache - und bei
ersten gemeinsamen Gesängen.
Die restliche Wegstrecke bis Costinesti,
wo das Camp stattfand, fuhren wir
größtenteils am Boden des Zugabteils -
mitten im Dreck, gleich neben der Toilette
(und wieder ist es an der Zeit, der
DB ein Kompliment auszusprechen...),
aber das war uns egal, schließlich konnten
wir dadurch "Rumänien hautnah" erleben.
Als wir endlich einen Platz in einem
Abteil bekamen, stellten wir fest, daß
die drei netten jungen Leute, die schon drin saßen, die bulgarische Delegation waren, und wieder wurde die Gitarre "gezückt", und zu unserer Überraschung spielte der nickelbebrillte Stephan aus
Rumäniens Nachbarland alle möglichen
Beatles-Songs aus dem Effeff.

Biggi und Thomas aus der CSSR

Die unbeschwerten Gespräche, das ständige Ubersetzen vom Deutschen ins Französische, vom Englischen ins Deutsche oder vom Französischen ins Deutsche ließ die Zeit wie im Flug vergehen, und nach vier Stunden stiegen wir wie alte Bekannte in Costinesti aus.

zum Camp

Nun, zur Organisation des Camps ist nicht viel zu sagen, denn diese gab es schlicht und einfach nicht. Der offizielle Teil des Jugendcamps beschränkte sich auf die Begrüßungs- und die Verabschiedungszeremonien mit Marschmusik und Reden, außerdem waren noch zwei sogenannte "Diskussionen", die sich in der Praxis als Monologe bekannter rumänischer Rotkreuzvertreter herausstellten, geplant. Der Schwimmwettbewerb fand nach dreimaligem Verändern des Zeitpunkts und des Orts doch noch statt, allerdings war diese Verwirrtechnik, die von den "Organisatoren" vortrefflich beherrscht wurde, so erfolgreich, daß über die Hälfte der Campteilnehmer nicht rechtzeitig beziehungsweise am falschen Ort wartete. Dasselbe galt für die beiden Fußballspiele gegen die Rumänen (erstes Spiel unentschieden, zweites Match zu unserer Schande verloren). Und der "Erste-Hilfe"-Wettbewerb stellte die organisatorische Krönung
dar: Angesagt für 18 Uhr, begannen die Organisatoren eine halbe Stunde später gemächlich in rumänischer Schrift Fallbeispiele auszuarbeiten, für die nicht einmal die geeigneten Hilfsmittel vorhanden waren (Zitat: "Dreieckstuch -
was??? Sowas brauchen wir nicht"...) Gegen 19 Uhr waren die Fallbeispiele sogar schon übersetzt und wir begannen ohne Rücksicht auf irgendwelche unterschiedlichen Lehrmeinungen mit dem lächerlichen Wettbewerb, der mittendrin wegen dem Abendessen abgebrochen werden mußte usw. usw. usw. 

Zur Verpflegung

Dies wird das schwärzeste Kapitel der "Odyssee". Für Menschen, die sich einigermaßen vernünftig ernähren, und für solche, die sich gern ernähren und ganz besonders für Menschen wie Bine und mich, also für Menschen, die sich
eigentlich andauernd ernähren, ist Rumänien die Hölle... Angefangen beim sogenannten Frühstück, das aus heißem Wasser mit einer Geschmacksmischung aus Pfefferminz und Chlor als Getränk (Tee?), einem weißmehligen Klotz (geschmacksneutral), welches sowohl als Unterlage für eine braune Masse (sollte nach Aprikose schmecken) oder für irgendwas rosaweißes (kotzwürg!) dienen sollte, war das "Essen" in der Kantine doch eher als Leibeserziehung für Asketen denn für uns gedacht. Innerhalb von wenigen Tagen verfielen Bine und ich regelrecht in tranceähnliche Zustände, wenn wir unsere letzten, sorgsam gehüteten Wurst-(lechz!) und Brotreste (schmacht!) begutachteten. Bei der steten Hitze empfanden wir zwei aber den Mangel an Trinkbarem als viel schlimmer: Leitungswasser mit Chlorgeschmack, weit und breit kein Geschäft, in dem man Milch, Saft oder Mineralwasser erstehen hätte können... Die Milch und Mineralwasser bezogen wir an einem Tagesausflug im 50 Kilometer entfernten Constanta, aber das reichte natürlich nicht für zwei Wochen. An Gemüse ergatterten wir Unmengen an Tomaten, bitteren Gurken und Paprika (indem wir Kugelschreiber und Flaschenöffner gegen sie eintauschten), aber irgendwann standen uns diese einzigartigen Vitaminspender auch bis zum Hals. Gerade dieser Notstand aber schweißte uns alle zusammen: Die Salamispenden der DDR-Delegation werden genauso unvergessen bleiben wie die Riesen-Miikas der Österreicher, der Kaffee der Bulgaren, usw. Auf den späteren Nationalabenden, bei denen die verschiedenen Delegationen neben Postern und Tänzen auch Fressalien benutzten, um ihr Land vorzustellen, hatten sie mit Letztgenanntem auffälligerweise den größten Erfolg.

Zum Lagerleben

Also nach dem schwärzesten zum schönsten Kapitel dieses Berichts. Wie ich schon berichtete, begann die Kameradschaft bereits auf der Anreise - und sie blieb bestehen bis zum Abschluß des Camps. Da uns Campteilnehmern kein gemeinsamer Raum zur Verfügung stand (wieder ein Minuspunkt), fanden wir uns jeden Abend in einem anderen Zimmer ein. Die erste Nacht brachten uns Alexeij und Nikolaij bei, wie man Wodka trinkt (mit dem Ergebnis, daß Sabine und ich am nächsten Morgen nicht besonders fit waren...), die zweite Nacht versuchten uns die Bulgaren mit ihrem Cognac usw. Für jemanden, der sich lediglich ab und zu eine Halbe Bier leistet, wie ich, war es echt schwer, zwischen enttäuschter Gastfreundschaft und Rausch eine harte Grenze zu ziehen.

Die bayerische Delegation zu vorgerückter Stunde

Gottseidank waren die alkoholischen Vorräte bald aufgebraucht und die Abende beschränkten sich auf gemeinsame Gesänge, sehr interessante Diskussionen, manche Flucht aus der Kantine in das nahegelegene Hotel (wo es jeden
Tag das gleiche Menü gab) oder in die Open-Air-Disco, wo es eine genießbare Pizza gab, gemeinsame Spaziergänge und die schon beschriebenen Essensteilungen mit Leuten, die einem ganz besonders ans Herz gewachsen waren.
Vielleicht trug gerade die miserable offizielle Gestaltung des Camps dazu bei, daß wir soviel Eigeninitiative zeigten, wenn es um die Organisation von irgendwelchen abendlichen Aktionen ging? Jedenfalls besteht kein Zweifel darüber, daß die Einladungen, die wir uns
gegenseitig auf die T-Shirts geschrieben
haben, von ganzem Herzen kommen und
nächstes Jahr viele von uns mit einem
Inter-Rail-Ticket durch Europa tingeln
werden, um einander wiederzusehen!
Und ganz bestimmt werden nicht nur
bei mir die Ausgaben für Briefmarken
größer werden: Die Post profitiert mit
Sicherheit von den massig neuen internationalen
Briefkontakten. Von der Sowjetunion
nach Spanien, von Finnland
nach Bulgarien, von Schweden nach
Österreich, von der DDR nach Frankreich,
von Irland nach Deutschland...
Insgesamt waren 16 Staaten vertreten
in Rumänien - einfach großartig,
um irgendwelche dummen, anerzogenen
Vorurteile loszuwerden und neue, mehr
oder minder intensive Freundschaften
zu schließen.

Zu den Nationalabenden

Nachdem diese Abende, an denen- wie gesagt die einzelnen Delegationen ihre Länder vorstellten, ganz allein deren Organisation und Ideenreichtum überlassen waren, klappte wenigstens ein Teil des offiziellen Programms. Die skandinavischen Länder zeigten in Laken gehüllt ihre Historie in dramatisch-komischer Weise, lernten uns ein finnisches Kinderlied und ein paar Spiele, die Rumänen zeigten sich in verschiedensten Trachten und brachten uns einige schöne Volkstänze bei. Von den Russen, Bulgaren und Tschechen hörten wir viel über ihre Kultur, ihre Länder, sie sangen einige Lieder, die wir von den Abenden bereits so gut kannten, daß wir sie zumindest mitsummen konnten, und schließlich durften wir mit ihnen gemeinsam das Brot brechen. Ohne uns selbst rühmen zu wollen: Unser Nationalabend, den wir zusammen mit den Holländerinnen, den DDRlern und unseren drei österreichischen Martins gestalteten, war einfach einmalig... Als Rahmenprogramm eine gemeinsame Busfahrt durch unsere Länder und diese dann unterbrochen von kurzen Infos über die jeweilige Heimat der Mitreisenden, aufgelockert mit einem etwas
mißlungenem Ballett, gemeinsamen Liedern, Tänzen (bayrisch - in Dirndl und Lederhose, österreichisch - ein richtiger Walzer, den wir in der Nacht zuvor noch geprobt hatten), dann verschiedenen Süßigkeiten, österreichischem Kaffee, bayrischem Bier (wir schleppten ein Fünf-Liter-Faß in dieses Land, wo sogar das Bier nach Chlor schmeckt) und allerlei Sketchen - ein rundum erfolgreicher Abend also! Das Glücksgefühl, das wir hatten, als der Beifall und die Glückwünsche der anderen nicht enden wollten, ist unbeschreiblich und eine echte Belohnung für die vielen Stunden Arbeit, die hinter dem Abend steckten und die eine echte Selbstüberwindung forderten bei der Wahnsinnshitze.
Die Nationalabende fanden auf einer riesigen Bühne vor dem schwarzen Meer statt ("schwarz" kommt wahrscheinlich von den Unmengen an Dreck, die zehn Meter neben dem Badestrand ins Wasser gelaufen sind - oder von der 200 Meter entfernten Müllkippe, die direkt ins Meer führte...).

Über "Wonderful Romania"

Uns allen fiel auf, daß unser so liebenswerter
und ach so besorgter Lagerleiter,
der ohne Übersetzer total aufgeschmissen
gewesen wäre, immer zu einer
Rede bereit war, sei es nach oder
vor einer der "Diskussionen", nach den
Nationalabenden, oder bei dem Versuch
aller Delegationsleiter, das Aushängen
eines Tagesprogramms mit verläßlichem
Datum durchzusetzen.

das "Ballett" beim Nationalabend

Geradezu lächerlich mutete es an, wenn er - beziehungsweise die Übersetzerin - mit seinen Lobeshymnen auf "wonderful Romania" begann und uns Sachen erzählte, die wir stark bezweifelten: Von Rumäniens Kultur, dem
fruchtbaren Land, den Glücklichen, die am Schwarzen Meer Urlaub machen dürfen... und als Krönung der Satz: "Our wonderful country, for which we all want to die..." Die Krönung deshalb, weil wir über einen weniger befangenen
Betreuer einige inoffizielle Dinge über das Leben in diesem ärmsten aller Ostblockländer erfuhren, die uns ziemlich geschockt haben. Wer im Westen ahnt schon, welche Schwierigkeiten es dort bereitet, selbst die Grundnahrungsmittel zu organisieren, denn ohne Beziehungen und Bestechung läuft dort absolut nichts. Unser Eindruck von Rumänien ist jedenfalls geprägt von der Armut, die einem nicht verborgen werden kann (man gewöhnt sich schnell ans Anstehen), vom Schmutz (Asseln und Ohrwürmer auf dem Zimmerboden und Spinnen zwischen den Klamotten wären ja noch erträglich, aber die Stehklos, die man am besten nur zwischen sieben und acht Uhr  morgens, wenn die tägliche Rolle Klopapier, die für 200 Leute reichen muß, aufgehängt ist, benutzt, gaben uns den Rest...) und von überaus freundlichen Leuten, die sich was von einem erhoffen (Zitat: "Kaugummi, Kaffee? I
want to buy something" - und das um zwei Uhr morgens...). Am enttäuschendsten fanden die meisten von uns den "Ausflug" nach Constanta: Wir mußten eine Tierquälerei in einem Delphinarium ansehen und mußten unsere Fahrkartenprobieme lösen, dann durften wir an den ekelgrauen und völlig verwahrlosten Betonklötzen vorbei wieder zum Camp - entlang einem verdrecktem Strand, den sie ganz besonders anpriesen (er gehörte früher zu einer deutschen Reisegesellschaft, die inzwischen wohl auch eingesehen hat, daß Rumänien als Urlaubsland für westliche Ansprüche keine Chance mehr hat...).

Abschied und Heimreise

In den letzten Tagen hatten wir alle gemischte Gefühle: Einerseits war jeder froh, endlich wieder heimzufahren, richtiges Fleisch, richtiges Brot, Kaffee, Obst, also all das, was wir hier entbehren mußten, zu bekommen, andererseits hatten doch viele etwas wehmütige Gefühle, wenn sie an den Abschied dachten, ganz besonders die internationalen Pärchen, bei denen es allein durch die Entfernung und die politischen Unterschiede der Länder unwahrscheinlich war, daß es ein Wiedersehen geben würde. An den Abenden kurz vor der Abreise wurden noch schnell Adressen ausgetauscht, die T-Shirts bemalt und mit Einladungen versehen. Ein unwahrscheinliches Zusammengehörigkeitsgefühl
hatte sich in diesen zwei Wochen verbreitet und ich glaube, daß trotz der chaotischen Zustände im Camp bei den meisten die schönen Erinnerungen überwiegen werden! Die Heimfahrt, die wir zusammen mit der irischen, französischen, ungarischen und dänischen Delegation antraten, verlief bis Bukarest normal, dann begannen die Schwierigkeiten. Mit Bestechung und einem Lügenmärchen mußten wir den Schlafwagenschaffner rumkriegen, damit er uns in unserem Abteil ließ (ein Doppel der Bettkarte war verschwunden), dann war kurzzeitig Ruhe. Mit einem der Dänen und der Französin brauchten wir die letzten Reste unserer Brotzeit auf und gingen dann schlafen.
Um sechs Uhr morgens schmiß uns der rumänische Grenzsoldat raus wegen dem fehlenden Visa für Ungarn (man hatte uns versprochen, daß wir eine Ausnahmegenehmigung bekämen... Kein Kommentar... typisch Rumänien... Organisation = Fremdwort). Ein Trost war, daß die Franzosen unser Schicksal teilten, und so fuhren wir per Zug in Richtung Arad (wieder ins Landesinnere), dann mit der Strassenbahn (schwarz) und nach einer Stunde Wartezeit per Autostop auf einem uralten LKW, zusammen mit acht anderen Landstreichern in Richtung Nadlac. Nach 60 Kilometern holpriger, aber durchaus amüsanter Fahrt erreichten wir die rumänisch-ungarische Grenze, kauften uns die Visa und verteilten uns auf zwei Autos, deren Fahrer uns an den Budapester Bahnhof mitnahmen. Unsere Fahrer waren zwei Münchner, die uns neben einer guten Musik auch mit einer kühlen Dose chlorfreien Biers versorgten. Danke unseren Rettern in der Not! Vom Budapester Bahnhof aus klappte alles: Schnell ein paar Dollar getauscht, was zum Trinken, Obst kaufen, kurzes Telefonat in die Heimat (Zitat: "Hauptsach, ihr lebt's noch!"), dann Abfahrt mit den wiedergefundenen Franzosen, Brotzeit in Wien, in den Zug einsteigen, schlafen... und erst in München wieder aussteigen, wo uns Thilo Fleischmann zu einem ausgiebigen Frühstück einlud, bevor er uns zu mir heim brachte. Zuguterletzt noch ein paar Tips für die Leutchen, die trotz der vielen Negativpunkte Lust haben, Rumänien zu besuchen: Versorgt euch mit Kugelschreibern, Kaugummi, allen möglichen Klamotten, worauf bekannte Markennamen
stehen, Marlboro (eigenartigerweise nur diese Zigarettenmarke), Stickern, viel zu essen, viel zu trinken, Unmengen an Klopapier und Desinfektionsmitteln, Tauchsieder, Kochplatte, Konserven. Und zu allerletzt einige Dankworte
an diejenigen, die uns diese Reise ermöglicht haben, angefangen bei Thilo Fleischmann, dessen Weitblick wir besonders wegen der wohlgefüllten Kühltasche dankbar waren (Hosianna! Richtige Wurst, ahhh!) aber natürlich auch
wegen seiner steten Hilfsbereitschaft und Sorge für uns. Ein anderes Danke geht an seine Helferin Roswitha Frankmann, die für uns am Telefon beinahe einen Nervenzusammenbruch riskiert hat bei dem Versuch, Platzkarten und Schlafwagen für Bine und mich zu reservieren, denn in Rumänien ist nichts normal, nichts unkompliziert und schon gar nicht organisiert...

Darbietung der Holländerinnen beim Nationalabend

Im Nachhinein möchte ich mich bei allen, die sonst noch zum Gelingen der Reise beigetragen haben, bedanken, sei es hier in der Bundesrepublik oder in Rumänien, und will das Camp trotz allem weiterempfehlen, denn die Freundschaften, die wir hier geschlossen haben, waren die Einschränkungen wert. Außerdem lernt jeder, der in diesem Land war, mit den selbstverständlichen Kleinigkeiten wieder ganz anders umzugehen - sei es das Wasser, das man (zumindest bei mir in den Bergen) einfach so aus dem Wasserhahn trinken kann, die Sauberkeit und vor allem der tägliche Luxus des warmen Wassers - von unserem Reichtum möchte ich gar nicht erst anfangen zu reden - nur soviel, daß mir der heimische Supermarkt wie das Paradies auf Erden vorkam.