Merhaba - Bayreuther JRK dreht Video-Film

Ausländerproblematik - einmal anders: Der knapp eine Viertelstunde lange Kurzfilm "Merhaba - Willkommen Thomas", den das Bayreuther Jugendrotkreuz gedreht hat, vertauscht das übliche Rollenschema. In "Merhaba" erfährt ein deutscher Junge, daß er mit seinen Eltern in die Türkei ziehen wird. Dort wird er der einzige Ausländer in einer türkischen Schulklasse sein.

F.K.
3/1987

Der 13 jährige Thomas, der am liebsten mit seinem Computer spielt, erfährt von seinem Vater, daß die Familie in die Türkei ziehen wird, weil der Vater dort einen attraktiven Posten in seiner Firma bekommt. Thomas ist über den beruflichen Aufstieg seines Papas gar nicht glücklich: Der Gedanke, in der Türkei zu leben, ist ihm unangenehm. Mißmutig geht er in sein Zimmer und schläft ein. Er hat einen Traum, der seine Ängste deutlich macht: Zögernd be
tritt er das Klassenzimmer einer türkischen Schule, versteht im Unterricht kein Wort, fühlt sich ausgeschlossen. Zunächst verhält er sich passiv, doch später im Pausenhof reagiert er unangemessen: freundlich gemeinte Gesten der Annäherung mißversteht er - er schlägt zu.
Die Idee zu diesem Film hatte Helga Sommer. Sie ist in Bayreuth zuständig für die Schularbeit des Roten Kreuzes, und "Merhaba" soll auch vorwiegend an Schulen in den Fächern Deutsch, Erziehungskunde, Sozialkunde und Ethik gezeigt werden. "Im Traum sieht sich ein deutscher Schüler in die Lage eines ausländischen Mitschülers versetzt", erklärt Helga Sommer, "dem in der fremden Umgebung auch noch die sprachlichen Mittel zur Verständigung fehlen. Angst hat er besonders vor den neuen Mitschülern, von denen er erwartet, daß sie ihm gegen über gleichgültig, sogar feindselig eingestellt sind. Zu einer solchen Beurteilung seiner Lage kann er aber nur gekommen sein, weil Beobachtungen und Erfahrungen nachwirken, die er nur in seinem Schulalltag gemacht haben kann".
Mit Absicht verwirrend ist es für den Zuschauer, daß die türkische Schule erkennbar nicht in der Türkei steht, sondern in Deutschland. Mit anderen Worten: Alles wie zuhause, nur umgekehrt. Und damit ist auch Gelegenheit gegeben, über eigenes Rollenverhalten im Umgang mit ausländischen Klassenkameraden nachzudenken. Der Film zeigt auch sehr deutilich, wie gestörte Kommunikation und eine von Vorurteilen geprägte Einstellung zu Aggressivität führen. Weiter, so hoffen Bayreuths JRK-Fiimer, kann der offene Schluß - Thomas wacht schweißgebadet von seinem Traum auf - und die nur
angedeutete Schule in der Türkei Interesse nach ausführlicher Information wekken. Helga Sommer: "Die Beschäftigung mit dem Film kann einem Schüler ferner aufzeigen, daß Kenntnisse von den gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Verhältnissen eines Landes notwendig sind, um sich der Wirkung von Vorurteilen seinen Bewohnern gegenüber entziehen zu können." Gedreht wurde der Bayreuther JRK-Film von Ilse Brehm, Unterstützung kam unter anderem von der AOK und der Stadtsparkasse. Die technische Leitung hatten Markus Ackermann und Joachim Schwarz, Thomas wurde gespielt von Reinhold Angerer. "Merhaba - Willkommen Thomas" ist als Videokassette (VHS) erhältlich beim JRK Bayreuth, Hindenburgstr. 10, 8580 Bayreuth. Der Sonderpreis für baff-Leser beträgt 25 Mark.