2 bayerische Jugendrotkreuzler beim Freundschaftstreffen in Japan

Kenketsu oigeishimas - Hamhal habschida - donate blood

Monika Ungethüm-Hiebl
3/1988

An diesem Mittwoch im August herrschte keine babylonische Sprachverwirrung in der Fußgängerzone von Hiroshima: Der vielsprachige Aufruf Blut zu spenden war Teil des Freundschaftstreffens, an dem auf Einladung des japanischen Roten Kreuzes (JRC) jeweils zwei Mitglieder des Jugendrotkreuzes der Staaten Kanada, Südkorea, Finnland und der Bundesrepublik Deutschland teilnahmen. Für "good old Germany" riefen bei sengender Hitze Monika Ungethüm-Hiebl (BV Niederbayern/Oberpfalz) und Thomas Lindörfer (BV Unterfranken) "gebt Blut, rettet Leben". In einem zweiwöchigen straffen Programm wurden sie über das Rote Kreuz in Japan und der Staaten der Delegierten informiert und tauschten Erfahrungen aus. Dabei entwickelten sich tiefe Freundschaften über Grenzen und Kontinente hinweg, die durch häufigen Briefwechsel aufrecht erhalten werden sollen. Die hohen Erwartungen des 23jährigen Beauftragten für das JRK und der 27jährigen Redakteurin an dieses Land am anderen Ende der Welt, das sie nach 30 Flugstunden erreicht hatten, wurden alle erfüllt. Die Rotkreuz-Funktionäre dieses ameisenfleißigen Volks packten soviel Informationen wie irgendmöglich in diese zwei Wochen Japan. Diskussionen mit hauptamtlichen und ehrenamtlichen Mitgliedern, Präsentationen, Vorträgen und Besichtigungen gaben reichlich Gelegenheit, sich ein Bild vom JRC und von Land und Leuten in "Nippon" zu machen.

Japan und das Rote Kreuz

Delegierte verschmolzen zu einer Einheit

Gruppenfoto

Aber nicht nur die hervorragende Organisation der japanischen Gastgeber bildeten die ideale Voraussetzung für den Erfolg dieses Camps, auch die Delegierten waren von Anfang an eine harmonische Gruppe. Jeder mit seinen Eigenheiten brachte sich ein: die goldblonde 19jährige Raija und die rotblonde Leila aus Finnland, genauso wie die löwenmähnige Jacki, der 21jährige Nicke aus Kanada oder die 21jährige Hee Chung und Young Min aus Korea. Sie bildeten mit den zwei Deutschen sofort eine wißbegierige Einheit.

JRC-Präsidium: Marmor und Seidentapeten

Da waren sie freilich gleich zu Anfang des Programms beim Präsidenten und dem Vizepräsidenten des JRC an der richtigen Adresse. Diese zeigten sich stolz an der Spitze des japanischen Roten Kreuzes, das sich als Gastgeber in jeder Hinsicht - von der Unterbringung bis zu den Übersetzern im besten Licht präsentierte. Staunen lehrte die Jugendrotkreuzler auch die JRC-Zentrale mit Marmor, Seidentapeten und Suiten für das Kaiserpaar, das stets die Oberhäupter des japanischen Roten Kreuzes darstellt. Viel Neues erfuhren sie auch bei der Präsentation der einzelnen Delegationsmitglieder und des japanischen Roten Kreuzes. Wenn auch die Ziele des Roten Kreuzes in allen Ländern gleich sind, so gibt es doch verschiedene Wege, sie zu erreichen. Durch ein ausgeklügeltes System, fördernde Mitglieder zu werben und zu halten, scheint das JRC beispielsweise sehr gut situiert zu sein. Das macht sich freilich auch in der Jugendarbeit bemerkbar: Altstoffsammlung, Haussammlung oder Glückshafen und Tombola waren den japanischen Jugendrotkreuzlern daher kein Begriff. Clever zeigten sich die Japaner aber auch in Sachen Blutspenden, wie bei Besichtigungen der JRC-Blutspendezentrale oder einer Station im Knotenpunkt der U-Bahnen in Tokio deutlich wurde. Das JRC wirbt erfolgreich mit berühmten Stars und hat täglich mehrere hundert Spender auf ihren Liegen.

offizieller Empfang

Die erste Nacht auf Futon-Matten

Einblick in das Leben der Japaner erhielten die Jugendrotkreuzler am ersten Wochenende, als sie einzeln Familien besuchten. Sie schliefen zum ersten Mal auf den traditionellen FutonMatten oder machten Bekanntschaft mit dem traditionellen japanischen Bad und ungewohnten, aber sehr delikaten typischen Spezialitäten. Japanische Jugendliche am Mount Fuji gaben ihnen dann Informationen über die internationale Arbeit des JRC und Aktivitäten in Bangladesh. In Kleingruppen wurde über Themen wie "Menschenrechte" oder "Diskriminierung" diskutiert. Dabei wurde zumindest den deutschen Delegierten bewußt, daß Japan und die BRD viele ähnliche Probleme haben. Nach einem Vortrag über Entwicklungshilfe und Finanzwege mußten die Delegierten zeigen, daß sie die Informationen auch umsetzen können. In bewährtem Teamwork erstellten Monika und Thomas einen Kurzbericht - hatten sie doch schon bei der Präsentation des Deutschen Roten Kreuzes gezeigt, daß sie ihr Land gut vertreten. Locker wurde abends beim Lagerfeuer und Feuerwerk Kultur ausgetauscht, vom japanischen Tanz "Bunrago" über finnische Lieder und koreanische Spiele bis hin zum Walzer. Und nicht erst beim gemeinsam gesungenen Quatschlied "Monika ist in der Küche mit Max" am Fuji waren alle eine große Familie...

Mit Sumo-Kämpfern in Shinkansen

Ein besonderes Erlebnis waren auch die Fahrten mit dem Shinkansen. In diesem Superzug, der bis zu 240 Kilometer in der Stunde schnell ist, lernten die Delegierten sogar schwergewichtige Sumo-Kämpfer kennen. Einer der Höhepunkte bildete aber der Aufenthalt in Hiroshima, wo der Kontakt zu einer Jugendgruppe besonders eng war. Gemeinsam warb man für Blutspenden, spielte und sang. Angesichts der Geschichte Hiroshimas aber gingen die Themen rasch unter die Haut. Die Besichtigung des JRC-Krankenhauses, in dem noch heute täglich rund 120 Patienten mit Strahlenspätschäden behandelt werden, und der Friedenspark bildeten schnell eine gemeinsame Basis für ernste Diskussionen.

You asked for it - and you got it

Stumm vor Betroffenheit und Empörung über soviel Unrecht, das den Menschen vor genau 43 Jahren angetan worden war, machte das Atombomben-Museum die Delegierten. Erschüttert mit Tränen in den Augen sahen sie einen Mauerrest mit Treppe: Der Stein bewahrt den Schatten eines Menschen, der hier beim Abwurf der Atombombe verglüht ist. Nachdenklich stimmte auch ein Eintrag im Gästebuch: "You asked for it - and you got it" ("Ihr habt darum gebeten - und Ihr habt es bekommen"). Nach dieser bitteren Lektion japanischer und Weltgeschichte, die, so waren sich alle Jugendrotkreuzler einig, allen Menschen zur Einsicht "Never again" ("Niemals wieder") verhelfen sollte, lernten sie eines der Kleinode Japans kennen: die Insel Myajima. Die Schönheit der Landschaft, die Schreine, Tempel und den roten Torii, der größte Torbogen Japans mit 16,20 Metern Höhe und 23,30 Metern Breite, nahm sie gefangen. Hier konnten sie erneut auch typisch japanische Kultur studieren: Heiliges Wasser, Horoskope, die in Schreinen von Mönchen verkauft werden, Votivtafeln mit Glück und Segen verheißenden Sprüchen sowie die Herzlichkeit der japanischen Jugendrotkreuzler - diese schenkten den Gästen Glücksbringer, die sie beschützen sollen... Überwältigt waren die Jugendrotkreuzler aber auch von der Schönheit der alten Kaiserstadt Kyoto. Das Jugendrotkreuz stand dann wieder beim nationalen Jugendkongreß des JRC in Osaka im Mittelpunkt, ehe es zurück in die Hauptstadt Tokio ging, die mit mehr als zwölf Millionen Einwohnern eine der größten der Welt ist. Nach einem ausgiebigen Einkaufsbummel, bei der freilich auch traditionelle Jukata (eine Art Kimono in "Sparausführung") erstanden wurden, komplettierte sich für die Delegierten das Bild des modernen Japans: In dem Ortsteil Shibuya zeigten die japanischen Jugendlichen, daß sie sehr wohl aus den Ausländern so festgefügt scheinenden Normen ausbrechen können Hunderte junger Japaner schlüpften zu ihrem eigenen und dem Vergnügen tausender Zuschauer in ihre Traumrollen und verwandelten sich in Clowns, Rock'n'Roller, Hard-Rocker, RollerSkate-Artisten oder Kabarettisten. Stets aber war die Geschichtsverbundenheit spürbar, nicht nur bei den fesselnden Vorführungen alter Riten. Angesichts so vieler überwältigender Eindrücke war am nächsten Tag das größte Problem der Delegierten "Wie bringen wir das alles in unseren Abschlußbericht", denn sie hatten erfahren, Japan läßt sich nicht in ein Schema pressen und schon gar nicht auf einige Manuskriptseiten...

We became to love each other

So schön das Freundschaftscamp auch war, der Wermutstropfen blieb nicht aus, denn der Abschied von den neugewonnenen japanischen, kanadischen, koreanischen und finnischen Freunden fiel den Deutschen sehr schwer. Daß das gegenseitige Versprechen, den Kontakt zu halten, keine leeren Sprüche waren, bewies sich schon wenige Tage später. Schon sind die ersten Briefe gewechselt, und wie schrieb doch beispielsweise die Koreanerin Hee Chung rührend: "I know we became to love each other through the communication of smiling. My best wish is to meet you again in the near future" ("Ich weiß, wir haben uns schätzen gelernt durch die Sprache des Lächelns. Mein größter Wunsch ist, Dich in naher Zukunft wiederzusehen"). Mit diesem Freundschaftstreffen wurden grenz- und kontinentüberschreitende Freundschaften geschaffen und so der Dienst an der Völkerverständigung mit Leben erfüllt...