Das Rote Kreuz zu Gast im Waldkindergarten

Wird er mit Tatü-Tata in den Wald kommen? Diese Frage quälte die Waldkinder schon seit Tagen. Heute endlich ist es soweit: Ein echter Krankenwagen besucht sie im Kindergarten! Die Aufregung ist groß, das Hallo auch, als die Ersten etwas Orange und Weiss zwischen den Bäumen aufblitzen sehen. Keiner aber ist enttäuscht, dass der Sanka mit Rücksicht auf die Fauna ziemlich ruhig heranfährt.

Barbara Weidmann
Dorothea Firck, Barbara Weidmann
4/2004

Für Petra Adamski, Leiterin des Sachgebiets Ausbildung beim BRK Landshut und Ret tungssanitäter Johannes Winter ist es erst der zweite Einsatz dieser Art. Die Nervosität beruht also auf Gegenseitigkeit. Krankenwagen angucken konnten Landshuter Kindergartenkinder zwar schon oft. Heute aber sollen die Waldkinder auf Wunsch ihrer Erzieherin Sabine Maier auch etwas über Erste Hilfe erfahren.
Petra Adamski hat ihre Bildergeschichte abends zuvor noch auf große Kartons
gedruckt und von Hand koloriert, denn auf den gewohnten Tageslichtprojektor muss sie im Wald verzichten. Im gemütlichen Rund des Brotzeitplatzes erzählt sie von den Bärenkindern Faxi und Flori, die miteinander spielen. Flori verletzt sich dabei, aber Faxi kann helfen:  Sie tröstet Flori, holt ein Pflaster und sucht Hilfe bei Erwachsenen. Jetzt dürfen die Kinder der Reihe nach am mitgebrachten Telefon einen richtigen Notruf üben. „Selber machen ist natürlich immer interessanter“, weiss Petra Adamski. Selbst die Kleinsten wählen konzentriert die 110. Aber als Petra und Johannes bunte Heftpflaster verteilen, trauen sich einige nicht gleich, dem Gegenüber „eine zu kleben“. Petra bringt Faxi und Flori, die zwei Teddies. Bei den Kuscheltieren fallen tatsächlich alle Hemmungen und schließlich wird sogar Johannes von Kopf bis Fuss zugepflastert. „So können wir den Kindern auf ganz einfache Art das Gefühl vermitteln, dass sie helfen können“, erklärt die BRK-Ausbildungsleiterin.
Dorian möchte unbedingt mal die rote Sanitäterjacke mit den schicken Reflektorstreifen anprobieren, aber angesichts der kühlen Witterung ist Johannes zu keinerlei Verhandlungen bereit. Dafür wehrt er sich nicht, als einige Jungs testen wollen, wie widerstandsfähig Stahlkappenstiefel wirklich sind. Und der Rettungssanitäter hat noch einen Trumpf zur Hand: Den Krankenwagen.
Die Rettungstrage mit ihrer Vakuummatratze zum Ruhigstellen der Patienten hat es den Kindern besonders angetan. Damit können sie ihre Körperumrisse erfassen und mit denen der anderen vergleichen. Mit dem Rollstuhl und viel Gelächter geht es auf dem holprigen Waldweg auf und ab. Johannes staunt, was die Kinder schon alles über seine Gerätschaften wissen: Blutdruckmessgerät, Stethoskop, sogar der Beatmungsbeutel - alles schon bekannt! Aber bei Johannes und Petra selbst den Herzschlag abhören dürfen, das ist schon etwas ganz Besonderes! Am Schluss stecken alle kichernd unter einer goldenen Rettungsdecke. Nach dem aufregenden Kurs bleiben Petra und Johannes noch auf ein Schwätzchen zur Brotzeit. Jetzt können ihnen die Kinder Neues erzählen: über ihr Leben im Wald. Der Abschied fällt schwer, auch wenn es für jeden ein Päckchen mit Verbandmaterial zum Üben und eine echte Urkunde zum bestandenen „Trau Dich“-Kurs gibt. Johannes spielt noch etwas auf dem von den Waldkindern gebastelten Klangstab-Klavier. „Voll cool“ findet er das. Und als der Rettungswagen noch einmal zum Gruß mit seinem Blaulicht blinkt, bevor er endgültig im Wald verschwindet, sind sich alle einig: „Keiner ist zu klein, um Helfer zu sein!“

Waldkindergarten - was ist das? Im Wald- oder Naturkindergarten halten sich die Kinder die ganze Zeit und bei jedem Wetter im Freien auf. Für Extremfälle steht ihnen allerdings ein Schutzraum, in der Regel ein Bauwagen, zur Verfügung. Waldkinder machen alles, was Kinder in „normalen“ Kindergärten auch tun, nur eben warm verpackt an der frischen Luft. Viel Bewegung und gemeinsames Spiel mit natürlichen Materialien statt vorgefertigter Spielsachen sollen Motorik, Intelligenz, Konzentrations-  und Kommunikationsfähigkeit gleichermaßen fördern. Studien haben gezeigt, dass Waldkinder im Vergleich gesünder, ausgeglichener und selbstbewußter sind. Inzwischen gibt es schon über 400 Waldkindergärten in Deutschland, an die 100 davon in Bayern.