Alles Porno oder was?

Das Medium Internet ist längst in der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen angekommen und wesentlicher und sehr beliebter Bestandteil der Kommunikation untereinander. Selbst die Jüngsten sind vor der Faszination Facebook & Co nicht gefeit.

Veronika Winter
N.N.
1/2011

Ist das Austauschen persönlicher – teils intimer – Details schon länger im Fokus medienpädagogischer Arbeit, so wird auch immer deutlicher, dass sexualpädagogische Angebote hinzukommen müssen. Denn auch Pornografie gehört mittlerweile zum Internet-Alltag von Kindern und Jugendlichen und wird als „normal“ im alltäglichen Medienkonsum eingeschätzt. Der Zugang zu ponografischen Inhalten war noch nie so leicht und auch die ungewollte Konfrontation damit noch nie so ausgeprägt.


Ist das besorgniserregend oder völlig normal? Löst der Pornokonsum die Sexualaufklärung ab?


Der Umgang mit sexualisierten und pornografischen Inhalten umfasst eine völlig unreflektierte Sicht bis hin zu einem kritischen, reflektierten Bild von Pornografie. Prinzipiell sind Kinder und Jugendliche sehr wohl in der Lage, auf kognitiver Ebene zwischen der Realität und den medial dargestellten pornografische Inhalten zu unterscheiden – allerdings ist dies stark von Alter, Medienkompetenz und sozialem und kulturellem Umfeld abhängig. Man geht außerdem davon aus, dass bei häufiger Nutzung ein gewisser Gewöhnungseffekt, der Auswirkungen auf das Verständnis und Verhalten in Bezug auf Sexualität und Geschlechterrollen haben kann, eintritt. So können Pornos beeinflussen, was als normales, sexuelles Verhalten eingestuft wird. Studien zeigen, dass Mädchen und Jungen den Begriff der Pornografie unterschiedlich einschätzen. Mädchen berichten zwar, dass sie in ihrer alltäglichen Nutzung des Internets mit pornografischen Inhalten in Kontakt kommen, lehnen diese aber eher ab und finden sie „eklig“ bzw. abstoßend. Jungen hingegen konsumieren pornografisches Material häufiger und auch gezielter. Hauptmotiv ist dabei zum Einen der Wissensgewinn in Bezug auf die Sexualität und den weiblichen Körper im Allgemeinen und zum Anderen die sexuelle Erregung. Die Schwelle zur Pornografie ist für Mädchen deutlich niedriger als für Jungen – extreme Inhalte sind jedoch auf beiden Seiten tabu.


Die unveränderliche Tatsache, dass es noch nie so einfach und kostengünstig war, an Pornografie zu gelangen und sie zu verteilen und der Beleg, dass Kinder und Jugendliche in ihrem alltäglichem Medienkonsum damit konfrontiert werden, bedingen (sexual-)pädagogischen Handlungsbedarf. Jugendarbeit setzt immer in der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen an und reflektiert das eigene Tun und Handeln mit Gleichaltrigen oder auch mit der Gruppenleitung. Die Beschäftigung mit dem Thema „Internet-Pornografie“ ist herausfordernd – es ist aber unabdingbar, die Kinder und Jugendlichen auch auf diesem Weg zu begleiten und ihnen Orientierung und Halt in dem oft auch verunsichernden und überfordernden Gebiet zu geben. Wann aber sind Kinder und Jugendliche bereit über dieses hochsensible Thema – zum Beispiel mit ihren Gruppenleitern – zu sprechen? Zu allererst ist es wichtig, dass die Kinder und Jugendlichen erleben, dass der Gruppenleiter sachlich über Sexualität sprechen kann, ohne dabei die Moralkeule auszupacken oder stets rot zu werden. Außerdem ist es wichtig, dass keinem zu nahe getreten wird und jeder freiwillig entscheiden kann, ob er von eigenen Erfahrungen berichten will oder nicht.

 

Ist eine vertrauensvolle Atmosphäre hergestellt, können zum Beispiel folgende Fragestellungen in der Gruppenstunde aufgegriffen werden:

  • Kann man im Internet oder Fernsehen tatsächlich Pornos sehen? (Unterscheidung zu Erotikfilmen)
  • Was unterscheidet den Sex in Pornos vom Sex im wirklichen Leben?
  • Werden Deiner Meinung nach Frauen und Männer in Pornos unterschiedlich dargestellt?
  • Werden Deiner Meinung nach Pornodarsteller nach bestimmten (körperlichen) Kriterien ausgesucht?
  • Warum dürfen Jugendliche laut Gesetz keine Pornos anschauen, aber schon selbst Sex haben (unter bestimmten Voraussetzungen)?

Neben dem Aufgreifen, bzw. dem pädagogischen Wirken in Gruppenstunden, stehen auch „externe“ Beratungsmöglichkeiten zur Verfügung, die sowohl für Gruppenleiter, als auch für die Kinder und Jugendlichen selbst, Unterstützung und Beratung bieten.

Zum Beispiel:

Das Kinder- und Jugendtelefon des Kinderschutzbundes München: 0800/1110333

Die Online-Beratung der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung

Außerdem greift ein neues Lehrmaterial von klicksafe, pro familia in Bayern und dem Landesmedienzentrum Baden- Württemberg das Thema auf. „Let's talk about Porno“ heißt die Arbeitshilfe für Schule und Jugendarbeit. In vier verschiedenen Bausteinen wird das Thema Sexualität und Pornografie behandelt.

 

Die Arbeitshilfe kann man unter folgendem Link finden (-> Materialien)

Quellen


> Grimm, Petra; Rhein, Stefanie und Müller, Michael (2010): Porno im Web 2.0. Die Bedeutung sexualisierter Web-Inhalte in der Lebenswelt von Jugendlichen. Schriftenreihe der NLM, Band 25. Berlin: Vistas Verlag

> Altstötter, Christine; pro familia Rheinland-Pfalz: Pornografie und neue Medien. Eine Studie zum Umgang Jugendlicher mit sexuellen Inhalten im Internet.

> Wolf, Jürgen: Interaktive Medien als Risikoräume für sexuelle Gewalt und die Auswirkungen sexueller Gewalterfahrungen. In: Die Kinderschutzzentren (Hsg.): Sexualisierte Gewalt an Kindern und Jugendlichen, ein altes Thema und seine neuen Risiken in der medialen Ära. Köln 2010, S. 197 - 205