Die geplante Katastrophe

Köln. Ein Rockkonzert in einer ehemaligen Lagerhalle. Die Luft ist stickig und verraucht, im Halbdunkel kann man die Besucherzahl kaum abschätzen. Es ist einfach voll. Vielleicht zu voll. Dann der Alptraum: ein Teil der Decke stürzt ein, rund 300 Jugendliche werden verletzt. Chaos. Später wird man 24 Tote und 262 teils Schwerverletzte zählen

Stefan Schwarz, Lis Böhm
Stefan Schwarz
3/2005

Doch die Katastrophe war geplant. Seit über einem Jahr. Und sie hat sogar einen Namen: ÜMANV 250Plus – eine der größten Katastrophenschutzübungen, die es in Nordrhein-Westfalen bisher gab. Mittendrin Lis und Stefan aus Würzburg als Schminker, sowie Thomas Schlott mit 12 Mimen aus Mellrichstadt. Warum wir extra zu der Übung nach Köln gekommen sind? Diese Frage hat man uns an diesem Wochenende oft gestellt. Unsere Antwort war immer gleich: Um zu lernen.
Jetzt ist der 3. Juni, unser Abholservice vom Bahnhof bietet uns noch eine kleine Stadtrundfahrt auf dem Weg in unser Quartier: Feuerwache 3. Wir schlafen in der Turnhalle, wobei schlafen sehr optimistisch scheint, da wir bei jedem Einsatz von 26 Neonröhren und einem Gong geweckt werden. Und die Feuerwache 3 hat viele Einsätze…
Entsprechend müde wanken wir am nächsten Morgen um 5:30 Uhr in unser Einsatzgebiet. Für jeden Mimen steht eine Karte mit Verletzungsmuster bereit. Da wir nur wenig Material dabei haben, suchen wir uns 12 leichte Verletzungen aus und können mit dem Schminken beginnen. Später werden 5 unserer „Patienten“ das Unglück nicht überleben, dabei haben wir wirklich nur das geschminkt was auf der Karte stand.
Am Nebentisch werden zwischenzeitlich eifrig Mixer, Föne und Wasserkocher aktiviert, um aus Gelatine eine dubiose übelriechende Masse zu kochen. Diese wird großzügig auf den Mimen verteilt. Nicht hübsch, aber spektakulär! Hinter uns begnügt man sich mit weißer Knetmasse.
Wir sind bereits fertig und können uns bei den anderen 7 Schminkteams umsehen. Die „Köche“ von nebenan sind auch personell gut organisiert: Je nach Können werden den Schminkern die Verletzungsmuster zugeteilt. Die Profis basteln schon seit  2 Stunden an einem Politrauma. Daneben wird gerade ein Arm „amputiert“. Die Verletzung sieht täuschend echt aus und wir lernen, dass es 24 verschiedene Sorten Blut und Fleischpaste gibt. Besonders gut: Jede Stunde gibt es eine Lagebesprechung unter den Schminkern, dazu werden untereinander die Handynummern ausgetauscht. Nach 2 Stunden sind die Verletzten fertig präpariert und werden auf Isomatten ausgelegt. Danach wird von der Übungsleitung noch mal kontrolliert, ob alles in Ordnung ist. Aber was soll schon schief gehen: Für die Mimen stehen ein RTW, zwei Seelsorger und Helfer vom Arbeitsschutz bereit. Die Übung beginnt zunächst chaotisch, nach 2 Stunden sind aber über 1000 Einsatzkräfte mit 250 Fahrzeugen vor Ort und alles läuft planmäßig. Um 16:00 Uhr wird der letzte Patient mit einem RTW, der aus dem 60 Kilometer entferntem Aachen gerufen wurde, in die Uniklinik Köln transportiert. Für uns gibt es jetzt erst mal ein Mittagessen. Um 18:00 Uhr erinnert nichts mehr an das Unglück und wir fallen todmüde in unseren Shuttle-Bus. Diesmal geht es ohne Stadtrundfahrt zur Feuerwache. Dort kümmert sich die Wachmannschaft unheimlich nett um uns und nach einer Führung durch ihr Museum und die Wache verschlafen wir in dieser Nacht so manchen Alarm.
Inzwischen sind wir auf dem Heimweg und sind uns sicher, dass die Idee, sich für die Übung zu melden, richtig gut war und diejenigen, die nicht dabei waren eine Menge verpasst haben. Solche Aktionen könnten ruhig öfters stattfinden!