Tactical combat casualty care

Notfalldarstellung: Rauch, Nebel, das ständige Rattern von Maschinengewehren, Explosionen gefolgt von fürchterlichem Geschrei und das Klicken der Patronenhülsen auf dem kalten Asphalt – auch wenn das hier alles nur zur Übung dienen soll und es sich immer nur um Übungsmunition handelt, fühlt es sich in einigen Situationen sehr echt an.

Oliver Negele
Peter Pohl
1/2012

2010 wurde am Bundeswehrkrankenhaus Ulm und auf dem Standortübungsplatz Dornstadt ein Pilotprojekt umgesetzt, das sogenannte TCCC (Tactical Combat Casualty Care) für bewegliche Ärztetrupps. Dabei handelt es sich um ein Simulationstraining für Ärzte und Rettungssanitäter, die als Helfer in den Auslandseinsatz gehen (z.B. nach Afghanistan). Dieses Training ist ein Schwerpunkt in der modularen notfallmedizinischen Ausbildung, welche junge Sanitätsoffiziere während ihrer ersten zweijährigen klinischen Tätigkeiten durchlaufen müssen. Hierbei werden alle erlernten notfallmedizinischen Fähigkeiten anhand einsatzspezifischer Szenarien in Zusammenarbeit mit infanteristischen Einheiten trainiert und unter Beweis gestellt. In kompletter Einsatzausrüstung mit Splitterschutz, Helm und Waffe müssen die Ärzte im Gelände verletzte und verwundete Soldaten auf hohem medizinischem Niveau unter Beschuss bei Tag und Nacht versorgen. Auf den militärtaktischen und auf den medizinischen Anteil wird in dieser Ausbildung Wert gelegt. Auch für 2011 stand diese Übung auf dem Ausbildungsplan und wir – das Jugendrotkreuz im Kreisverband Neu-Ulm – wurden für die Darstellung der Wunden engagiert. Für uns war das etwas Besonderes, da die Bundeswehr ihre eigenen Vorstellungen hatte und einige der großen Verletzungen mit echten Schweinehäuten, Gänsetracheen und -lungen verfeinert haben wollte, um das Ganze noch realistischer zu gestalten. Außerdem durfte bei jeder Verletzung die Menge an Blut nicht groß genug sein, sodass uns ca. 60 Liter Kunstblut zur Verfügung gestellt wurden. Da die Übung über zwei Tage ging, holten wir uns für diesen großen Einsatz Verstärkung von unseren Kollegen aus dem Ostallgäu. Denn diese hatten schon mehr Erfahrung bei EM TS-Übungen (Erste medizinische/taktische Sichtung). Die Arbeit mit unseren „Nachbarn“ verlief super, sodass der Grundstein für eine häufigere Zusammenarbeit gelegt wurde. Es waren fünf verschiedene Szenarien auf dem Übungsgelände verteilt, die alle ca. 5 bis 10 Minuten Fußweg auseinanderlagen und wir waren zu jeder Zeit über Funkgeräte miteinander verbunden. Am Morgen schminkten wir die Mimen, die sich aus Bundeswehrsoldaten (außer zwei Mimen aus dem Kreisverband Ostallgäu) zusammensetzten, in einem alten Schießhaus. Um eventuell Wunden auszubessern oder neu zu schminken und um sich vor Ort um die einzelnen Mimen zu kümmern, verteilten sich jeweils zwei von uns an den einzelnen Szenarien. Ein weiteres Team kümmerte sich um den Nachschub von fehlenden Materialien und sorgte dafür, dass es uns und den Mimen an nichts mangelte. Die Szenarien unterschieden sich in Schweregraden, sodass die Verletzungen an den einzelnen Stationen unterschiedlich stark waren. Es gab Verkehrsunfälle mit leichten Schnittverletzungen, aber auch Bombenangriffe mit amputieren Unterschenkeln und auch Toten. Die Rolle der Toten übernahmen in diesem Fall extra dafür präparierte Puppen. Vor allem in der Nacht wurden die Übungen durch die Dunkelheit noch realistischer. Für die auszubildenden Ärzte war das ein kleiner Einblick auf das, was wirklich in einem Krisengebiet auf sie zukommen könnte. Die einzelnen Übungen wurden fünf Mal im Laufe des Tages durchgespielt – das war sowohl für die Mimen als auch für uns sehr anstrengend. Denn das hieß, immer draußen zu sein, egal bei welcher Witterung (und ab Mittwochabend fielen die Temperaturen drastisch ab und der Nebel legte sich tiefer). Auch wenn diese zwei Tage sehr lang und anstrengend waren und die Kälte uns noch lang in den Knochen hing, war es für uns alle eine tolle Erfahrung. Die Soldaten und Offiziere waren für Fragen offen und gaben uns sogar die Möglichkeit, mit den verschiedenen Panzerfahrzeugen mitzufahren, sodass wir alle einen kleinen Eindruck von der Bundeswehr bekamen. Auch die „Menschen in  Camouflage“ waren mit unserer Arbeit sehr zufrieden und wir würden uns freuen, wenn wir auch 2012 bei einer anderen Übung dabei sein könnten.