Jugend ´88: heute hier - morgen dort?

Heutzutage wird so oft und so an haltend über Probleme in der Jugendarbeit gesprochen, dass das Thema beinahe schon totgeredet wurde.

Roswitha Frankmann
1/1988

Hauptamtliche Pädagogen werden ja schließlich dafür bezahlt, daß es Probleme gibt. Es gibt also massenhaft Problemfelder als da wären: Kommerzialisierung der Jugendarbeit, Konsumsucht, Passivität, Rückzug ins private Glück nach dem Motto: "Genießen und leben lassen". So kommt es, daß viele Jugendliche die Bindung an einen Verband ablehnen. In der heute-hier-morgen-dort-Jugendkultur lssen sich nur noch schwer zuverlässige Führungskräfte finden, die einen Verband über mehrere Jahre mittragen. Zusätzlich zu den Jugendverbänden haben Banken, Versicherungen und andere kommerzielle Anbieter die Jugendlichen als Zielgruppe entdeckt, die mit professionellen Angeboten umworben wird. Die Jugendverbände tun sich schwer, einer wesentlich anspruchsvolleren Jugend als früher gerecht zu werden. Müssen wir angesichts dieser Situation in Verzweiflung ausbrechen? So schlimm ist es nun auch wieder nicht. Wie gesagt, Pädagogen werden für problemorientierte Nabelschau bezahlt, und auch so mancher ehrenamtliche Funktionär gefällt sich im Untergang-Inszenieren. Dennoch sind wir momentan mit unserer Jugendarbeit in keiner leichten Situation und sollten uns fragen, an welchen Leitlinien wir uns für die zukünftige Arbeit im JRK orientieren wollen. Dazu muss man erst mal feststellen, dass es "die Jugend" gar nicht gibt. Jeder Jugendliche ist eine Einzelpersönlichkeit mit seinem besonderen, noch nicht fest ausgeprägten, Charakter. Jugendliche können sich darin ähneln, wie sie ihre Bedürfnisse verwirklichen, das heißt wie sie ihre Freizeit verbringen, ihren Berufsweg oder ihre Kleidung wählen, welche Musik sie hören, etc., so dass man sie aufgrunddessen in verschiedene Gruppen einteilen kann. Wir können als JRK zwar eine breite Palette an Aktivitäten bieten, aber jedem können wir es auch nicht recht machen. Wir können und wollen nicht jeden aufnehmen. Ein Jugendlicher, der nicht bereit ist, sich für das JRK zu engagieren und hinter den Grundsätzen des Roten Kreuzes zu stehen ist für unsere Arbeit verloren. Wir sollten uns abgewöhnen, auch Trittbrettfahrer aufzunehmen. Allerdings müssen wir den Jugendlichen, die sich im JRK engagieren wollen, die Chance geben, Anerkennung zu ernten und sich selbst zu verwirklichen. Sie sollten soviel Verantwortung übernehmen, wie sie bereit und in der Lage sind zu tragen. In gleichem Maß sollten sie ein Mitspracherecht erhalten. Bei Schwierigkeiten sollten sie immer mit unserer Hilfe rechnen können. So bauen wir einen aktiven, engagierten

Mitgliederstamm auf. Qualität vor Quantität.