Stärkung von Kinderrechten?

Es ist Bewegung in der Sache. Nach zahlreichen Anläufen und fast schon jahrzehntelanger Arbeit scheint es, als kämen die Kinderrechte nun doch endlich ins Grundgesetz. Zwar verständigten sich CDU, SPD und CSU im Koalitionsvertrag bereits 2017 für die 19. Legislatur darauf, diese aufzunehmen. Doch lange hat man auf einen gemeinsamen Textvorschlag gewartet. Waren die vergangenen Jahre geprägt von der Frage, ob sie überhaupt ins Grundgesetz kommen sollen, wie man am besten verhindert, dass sie rein kommen und wo denn wohl der geeignete Platz dafür ist, gibt es seit kurzem einen Kompromiss-Textvorschlag: „Die verfassungsmäßigen Rechte der Kinder einschließlich ihres Rechts auf Entwicklung zu eigenverantwortlichen Persönlichkeiten sind zu achten und zu schützen. Das Wohl des Kindes ist angemessen zu berücksichtigen. Der verfassungsrechtliche Anspruch von Kindern auf rechtliches Gehör ist zu wahren. Die Erstverantwortung der Eltern bleibt unberührt."

Dieser Vorschlag deckt jedoch nur rudimentär ab, was die UN-Kinderrechtekonvention fordert. Wesentlich zu kritisieren ist, dass das Wohl der Kinder nur angemessen und eben nicht vorrangig berücksichtigt werden soll. Dies ist in der Tat nach vieler Jahre Arbeit nicht hinzunehmen. Die Formulierung entspricht nicht der Lebensrealität und der Interessen der Kinder. Auch steht sie im Widerspruch zur UN-Kinderrechtekonvention, die das Kindeswohlprinzip als „vorrangig zu berücksichtigen“ formuliert. Hier wird eine völkerrechtliche Verpflichtung nicht erreicht und fällt hinter diese zurück. Eine „vorrangige“ Formulierung würde nämlich bedeuten, dass Entscheidungen gegen das Kindeswohl einer besonderen Begründung bedürfen.

Wie geht es weiter?

Nachdem nun die Fraktionen formell über den Textvorschlag informiert werden, liegt es an Bundestag und Bundesrat, den Koalitionskompromiss zu stoppen und eine wirksamere Formulierung zu wählen. Vorschläge dazu hat etwa eine AG aus Bundesregierung und Bundesländern bereits vor einiger Zeit gemacht: „Jedes Kind hat ein Recht auf Achtung, Schutz und Förderung seiner Grundrechte einschließlich seines Rechts auf Entwicklung zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit in der sozialen Gemeinschaft. Das Wohl des Kindes ist bei allem staatlichen Handeln, das Kinder betrifft, vorrangig zu berücksichtigen. Jedes Kind hat bei staatlichen Entscheidungen, die seine Rechte unmittelbar betreffen, einen Anspruch auf Gehör und auf Berücksichtigung seiner Meinung entsprechend seinem Alter und seiner Reife.“

Dieser und andere werden dann wohl noch das ein oder andere Mal durch das politische Berlin getrieben, und es bleibt die Hoffnung, dass am Ende die Kinderrechte stark im Grundgesetz verankert werden. Wenn nicht in dieser Legislatur, dann vielleicht in einer anderen…

Zum Hintergrund

1989 beschlossen die Vereinten Nationen das Übereinkommen über die Rechte des Kindes. Kinder in den Fokus des internationalen Rechtsschutzes zu rücken und als Menschen mit eigenen Rechten anzuerkennen – dies war das Ziel des Übereinkommens. Am 20. November 1989 verabschiedete die Generalversammlung der Vereinten Nationen die UN-Kinderrechtskonvention. Deutschland trat 1992 dem Übereinkommen bei. Seitdem muss Deutschland regelmäßig gegenüber dem UN-Ausschuss für die Rechte der Kinder darüber Bericht erstatten (sog. Staatenbericht), was geschieht, um die Schutzrechte, Förderrechte und Beteiligungsrechte von Kindern zu stärken. Diese Berichte werden um sog. Ergänzende Berichte angereichert, die den Blick von zivilgesellschaftlichen Trägern z. B. der Jugendhilfe in die Bewertung einbringen. Daraus ergibt sich dann eine Einschätzung der Umsetzung, und Empfehlungen und Aufträgen an die Bundesrepublik.

Warum sollen Kinderrechte ins Grundgesetz?

Kinderrechte im Grundgesetz sind auf vielen Ebenen hilfreich:

Kinderrechte stärken Kinder. Da Kinder ihre Meinungen bei Wahlen nicht einbringen können, ist es umso wichtiger, dass die Kinderrechte ins Grundgesetz kommen. Damit wäre es für alle Kinder einfacher, eigene Meinung einzubringen und Interessen durchzusetzen.

Kinderrechte stärken die  Eltern. Sie sorgen dafür, dass alle Kinder sicher und gut aufwachsen können. Wenn diese im Gesetz stehen würden, können sich Eltern besser darauf beziehen und im Notfall Unterstützung anfordern.

Kinderrechte stärken die Demokratie. Wenn es um Dinge geht die Kinder betreffen (z. B. Bau eines neuen Spielplatzes), sollen Kinder mitreden können. Kinderrechte sorgen dafür, dass sie in planerische Prozesse und somit auch in demokratische Strukturen einbezogen werden.

Gericht und Verwaltung. Bei Entscheidung müssen Rechte von Kindern mitberücksichtig werden. Würden die Kinderrechte im Grundgesetz stehen, müsste sich jeder und jede daran halten und es gäbe keine andere Möglichkeit, als sie zu berücksichtigen.

Sie führen zu einer Gesellschaft, in der sich Kinder und Jugendliche wohl fühlen. Kinder sind ein wichtiger Teil der Gesellschaft und die Rechte der Gesellschaft sind im Grundgesetz festgeschrieben.

Kinderrechte und das Jugendrotkreuz

Das Deutsche Jugendrotkreuz ist seit vielen Jahren Mitglied der „National Coalition zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland“. Hier haben sich rund 110 bundesweite Träger und Initiativen in Deutschland zusammen geschlossen, u.a. um die UN-Kinderrechtekonvention bekannter zu machen. Wer sich über Kinderrechte weiter informieren möchte oder einfach mal nachlesen mag, welche es überhaupt gibt, der oder die findet hier eine informative Logo!-Sendung. 2022 startet übrigens die neue JRK-Kampagne, die sich mit den Schwerpunkten Beteiligung und Kinderrechte beschäftigt.