Wir lassen uns nicht aufhalten. Jetzt erst recht!
Mal ehrlich: Das ist doch unfassbar. Es sah alles so gut aus. Wie konnte es trotzdem dazu kommen? Die Verhandlungen zur Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz sind gescheitert. Jedenfalls zunächst. Weil sich die Parteien nicht auf eine Formulierung einigen konnten. Hey, wo bleibt da die Bereitschaft für einen Kompromiss?
Kinder haben Rechte. Zum Beispiel das Recht mitzubestimmen oder das Recht nicht benachteiligt zu werden. Und Kinderrechte sind Menschenrechte.
Seit 1989 gilt die die UN-Kinderrechtskonvention (Convention on the Rights of the Child, CRC), das wichtigste internationale Regelwerk zugunsten von Kindern, zu dem sich auch Deutschland bekannt hat. Die UN, das ist eine Organisation von 193 Mitgliedstaaten, also fast aller Staaten der Welt, die das Ziel hat, den Frieden zu sichern, Menschenrechte zu schützen und ganz allgemein dabei zu helfen, dass man in der Welt besser zusammenarbeitet. Wegen des englischen Namens United Nations Organization spricht man von der UN oder der UNO.
Megawichtig also. Warum stehen Kinderrechte dann nicht auch in unserem Grundgesetz?
Das Grundgesetz ist die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland. In diesem Text stehen die wichtigsten Regeln, die in Deutschland gelten. Daran müssen sich alle halten.
Seit Jahren fordert das BJRK gemeinsam mit Kinderrechtsorganisationen und vielen anderen, die Kinderrechte aufzunehmen. Denn dadurch bekämen die Interessen von Kindern ein ganz neues Gewicht und müssten immer mitgedacht werden. Das könnte konkret dann so aussehen:
Beispiel 1: Wenn in einer Region neu gebaut wird, müssten neue Spielplätze oder der Bau einer neuen Schule genauso beachtet werden, wie der Bau einer neuen Tankstelle oder zum Beispiel eines neuen Parkplatzes.
Beispiel 2: Kinder, die aus einem anderen Land nach Deutschland flüchten, könnten dann genau so geschützt werden, wie deutsche Kinder. Sie könnten dann zum Beispiel Anspruch darauf haben, in Deutschland zur Schule zu gehen, selbst wenn ihren Eltern droht, zurück in ihr Heimatland zu müssen.
Beispiel 3: Vor Gericht könnten die Aussagen eines Kindes genau so ernst genommen werden, wie die eines Erwachsenen. Zum Beispiel, wenn sich die Eltern eines Kindes vor Gericht darüber streiten, wer das Sorgerecht für das Kind übernimmt, also das Recht auf die Erziehung und Versorgung des Kindes. Auch heute ist es schon möglich, dass Kinder vor Gericht angehört werden. Das ist aber nicht immer so.
Das ist doch absolut richtig. Also warum hat man Kinderrechte dann immer noch nicht aufgenommen?
Weil viele Menschen der Meinung sind, dass die Rechte der Kinder schon ausreichend durch das Grundgesetz geschützt sind. Denn die Rechte, die dort aufgeschrieben sind, gelten für alle Menschen in Deutschland, also auch für Kinder. Deshalb sagen sie: Zusätzliche Kinderrechte sind gar nicht nötig.
Die regierenden Parteien CDU/CSU und SPD haben sich aber formell dazu bekannt, Kinderrechte in das Grundgesetz aufzunehmen. Deswegen wurde ein Gesetzentwurf vorbereitet, der Kinderrechte besser sichtbar und durchsetzbar machen sollte. Artikel 6 Absatz 2 des Grundgesetzes sollte so geändert werden, dass Kindern mehr politische Teilhabe möglich ist und ihr Wohl stets mitbedacht werden muss.
Über genaue Formulierung gab es nun aber über alle Parteien hinweg Streit, deswegen sind die Verhandlungen gescheitert. Wohl für eine ganze Weile. Denn für einen Änderung des Grundgesetzes müssen sich zweidrittel der Politiker*innen einig sein, die im Bundestag und Bundesrat sitzen. Der Bundestag ist das deutsche Parlament und im Bundesrat treffen sich die Verantwortlichen der Bundesländer. Zweidrittel, das sind eine ganze Menge. Deswegen können die regierenden Parteien, auch nicht allein entscheiden. Selbst, wenn sie das wollten.
Die Corona Pandemie hat doch aber gerade erst klar gemacht, dass die Interessen der Kinder und Jugendlichen nicht genügend mitgedacht werden.
Viele politische Entscheidung werden ohne, oder mit zu wenig Rücksicht auf die Belange von Kindern und Jugendlichen getroffen. Das betrifft nahezu alle Bereiche, beispielweise auch den Klimaschutz.
Deswegen fordern wir:
- das Recht des Kindes auf Anerkennung als eigenständige Persönlichkeit;
- die Berücksichtigung des Kindeswohls als ein vorrangiger Gesichtspunkt bei allen Entscheidungen, die Kinder betreffen;
- das Recht des Kindes auf Beteiligung, insbesondere die Berücksichtigung seiner Meinung entsprechend Alter und Reifegrad;
- das Recht des Kindes auf Entwicklung und Entfaltung;
- das Recht des Kindes auf Schutz, Förderung und einen angemessenen Lebensstandard;
- die Verpflichtung des Staates, für kindgerechte Lebensbedingungen Sorge zu tragen.
Am Ergebnis der Verhandlungen können wir nichts ändern. Was wir aber tun können, ist, den Druck auf die Politik zu erhöhen. Wir können weiter für die Rechte von Kindern aufstehen. Jede/r von uns. Und wir können dem Vorhaben Kinderrechte ins Grundgesetz Gehör verschaffen.
Jetzt erst recht. Wir lassen uns nicht aufhalten.
Heike Harenberg schreibt hier für das Bayerischen Jugendrotkreuzes.
Im Blog des Bayerischen Jugendrotkreuzes überwiegt die persönliche Meinung, sie steht über den Inhalten. So gelingt es den Autorinnen und Autoren Themen ausführlich aufzubereiten, zum Nachdenken einzuladen und Diskussionen zu erzeugen.
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