Eine Kachel zur Demonstration gegen Kürzungen am 20.09. in Berlin
DBJR / CC0

Geplante Kürzungen der Förderung von Jugendverbänden

Diese Kürzungen auf Bundesebene in Höhe von rund 19 % (= 45 Millionen Euro) lassen mich fassungslos zurück. In den vielen Jahren, in denen ich Jugendverbandsarbeit mache, ist wenig vergleichbares bekannt; wobei es in Bayern 2004 auch einmal um Kürzungen von 15 % im bay. Jugendprogramm ging. Aber worum geht es denn aktuell überhaupt? Das ist Thema dieses Blogbeitrages. 

Worum es geht?

Die Jugendverbände in Deutschland sind zu fördern, dies ist Auftrag aus dem für die Jugendarbeit zuständigen SGB 8. Eine auch finanzielle Förderung der Jugendverbände ist damit gesetzlich verankert. Die Bundesregierung plant jedoch massive Kürzungen in dem zuständigen Programm, dem sog. Kinder- und Jugendplan (KJP). Dieses ist verortet im Bundesfamilienministerium, das wiederum eben zuständig ist für die Jugendverbandsarbeit auf nationaler Ebene, und somit z. B. auch für das Deutsche Jugendrotkreuz mit seiner Bundesebene. Die geplanten Kürzungen im Kinder- und Jugendplan für 2024 belaufen sich aktuell auf rund 19 %, das sind etwa 45 Millionen Euro weniger und gehen zurück auf das Niveau in etwa von 2019. Gleichwohl sind die Kosten in den vergangenen vier Jahren massiv gestiegen: Energiepreise, Inflation, aber auch Tarifsteigerungen für das hauptberufliche Personal der Jugendverbände lassen diese Kürzungen nicht zu, ohne dass massiv inhaltlich, organisatorisch, strukturell und personell in elementarem und substanziellem Maße reduziert werden müsste. Und auf der anderen Seite betont Politik unermüdlich die Wichtigkeit von Jugendverbandsarbeit wie z. B. im Jugendrotkreuz (s. kleine Anfrage im Bundestag Anfang September). Es ist die gleiche Politik, die Jugendverbandsarbeit mit seinen Mitgliedern - Kindern, Jugendlichen und junge Erwachsene - in den Pandemiejahren vor Herausforderungen gestellt hat und sich hierbei jedoch immer auf Jugendverbände verlassen konnte, die an der Seite der Politik standen und z. B. - auch kurzfristig - mit enormen Aufwand Aufholprogramme für Kinder und Jugendliche umgesetzt haben. Und diese Politik formuliert in ihrem Koalitionsvertrag eine „bedarfsgerechte Ausstattung“ des Kinder- und Jugendplans als Ziel (Seite 98). Hierfür wäre einer Bedarfsanalyse zufolge eine Aufstockung für den Kinder- und Jugendplan i. H. v. 70 Mio. Euro für das Jahr 2024 notwendig. Eine Beibehaltung des Status quo (KJP-Volumen in 2023: 239 Mio. Euro) wäre in Anbetracht der steigenden Kosten bereits einer Kürzung durch die Hintertür gleichgekommen. 

Warum sind die geplanten Kürzungen abzulehnen?

Einige der Argumente, warum die Kürzungen abzulehnen sind:

Etablierte Strukturen werden geschwächt
In unserem föderalen und subsidiären System innerhalb der Jugendverbände sind verlässliche Strukturen nötig. Über Jahre führen Jugendverbände zielgerichtete Angebote mit und für junge Menschen durch. Und sie bieten jungen Menschen Möglichkeiten, sich frühzeitig auszuprobieren und Verantwortung zu übernehmen. Dies gelingt, weil sie sich auf Strukturen, Personen, Abläufe und Inhalte verlassen können, die über Jahre und Jahrzehnte gewachsen sind. Mit den geplanten Kürzungen im Feld der Jugendarbeit sind diese Themen unnötig neu zu verhandeln und zu diskutieren. Dies schwächt Jugendverbandsarbeit im Kern zur Unzeit.

Schwächung der "Keimzelle der Demokratie":
Unsere Mitglieder lernen demokratisches Handeln, übernehmen früh für andere Verantwortung, erproben sich, vertreten (andere) Meinungen in Gremien, können sich ausprobieren und wählen bewusst und umsichtig ihre Leitungen. Das demokratische Fundament wird durch Kürzungen geschwächt. Und gerade jetzt muss vielmehr eine aktive politische junge Generation gefördert werden - und das gelingt verlässlich seit Jahren im Feld der Jugendverbandsarbeit wie im Jugendrotkreuz.

Anerkennung und Unterstützung ehrenamtlichen Engagement ist notwendig
Es bedarf einer hauptberuflichen Unterstützungsstruktur, die in den Jugendverbänden eh schon minimal ausgestattet ist. Zu sehen, was ehrenamtliche im Jugendrotkreuz leisten und wie wenig sie hierbei auf hauptberufliches Personal zurückgreifen (können), ist eine der enormen Stärken ehrenamtlich getragener Jugendverbände. Gleichwohl müssen Ehrenamtliche auch nicht alles machen, einige Tätigkeiten können (und manche sollten) auf Personal ausgelagert werden oder sein. Um eben den Rücken freizuhalten, sich auf Inhalte und Aktionen konzentrieren zu können. Dies hat auch etwas mit der Anerkennung des ehrenamtlichen Engagements tausender gut ausgebildeter Gruppenleiter/-innen und Funktionsträger/-innen zu tun.

Beteiligung junger Menschen muss gestärkt und nicht geschwächt werden
Denn sie sind am längsten von politischen Entscheidungen betroffen. Sie stehen eh schon jetzt vor enormen Herausforderungen. Beispielsweise seien die Themen Inklusion, Schwächung der Demokratie von rechts, Digitalisierung, Klimakatastrophe und ökologische Transformation, Ganztagsausbau und diverse weitere Krisen (z. B. Ukrainekrieg) benannt.

Und konkret: Inhalte der Verbände können nicht mehr umgesetzt werden, Fahrten und Aktionen werden eingeschränkt, Teilnahmegebühren steigen (und somit werden sich weniger Teilnehmende anmelden (können)), Personal wird abgebaut werden müssen und somit steigt Belastung von Ehrenamtlichen oder es kommt zum Wegfall von Angeboten.

Warum sind geplante Kürzungen auf Bundesebene für Bayern relevant?

Zum einen natürlich, da wir etablierte Strukturen auf Bundesebene kennen, nutzen, gestalten und wertschätzen. Im Sinne auch überverbandlicher Solidarität stehen wir - auch als größter Landesverband im Jugendrotkreuz - an der Seite der Bundesebene. Wir und vor allem Mitglieder profitieren von Fortbildungen, Angeboten und Inhalten der Bundesebene. Und zum anderen sorge ich mich um eine gewisse Symbolträchtigkeit: wenn die Bundesregierung kürzt, dann ist es womöglich auch ein Zeichen Richtung bayerischer Politik, zumindest keinen Mittelaufwuchs in die Planung des nächsten Haushaltes im dortigen Kinder- und Jugendprogramm aufzunehmen. Wichtig ist zu betonen, dass wir mit den zuständigen Ministerien in Bayern gut und partnerschaftlich zusammenwirken und ein hohes Verständnis von der Wichtigkeit von Jugendverbandsarbeit vorhanden ist. Aber mit Blick auf Landtagswahlen, Doppelhaushalte und allgemeine Stimmungslagen umtreibt mich schon die Sorge, dass die Ausfinanzierung bayerischer Jugendverbandsarbeit auch demnächst etwas schärfer zu diskutieren sein wird. Aber hier lasse ich mich gerne vom Gegenteil überzeugen und vor allem geht es jetzt erstmal darum, die Kürzungen auf Bundesebene abzumildern ;-)

Was kann jetzt getan werden?

Nutzt in euren Bezügen Gespräche mit Abgeordneten des Bundestags. Dies kann easy über die Abgeordnetensuche erfolgen. Hier könnt ihr nach Bayern suchen oder auch nach Orten und bayerischen Wahlkreisen

Demonstration in Berlin am 20.09.

Der bundesdeutsche Zusammenschluss der Jugendverbänden, dem das Deutsche Jugendrotkreuz natürlich auch angehört, der Deutsche Bundesjugendring (DBJR) lädt zu einer Demonstration am 20. September, dem Weltkindertag, nach Berlin. Beginn ist 10:30 Uhr am Berliner Hauptbahnhof. Ende ist für 13:00 Uhr angesetzt. Informationen zur Demonstration finden sich hier. Der 20.09. ist dabei bewusst gewählt, da an diesem Tag die parlamentarische Beratung zu dem Haushaltstitel im Bundestag stattfindet. Absurderweise ist der 20.09. auch gleichzeitig der Weltkindertag.

Wie geht es weiter?

Nach der Beratung des relevanten Haushaltstitels am 20. September im Bundestag ist noch nicht Schluss. Aktuell werden Hintergrundgespräche geführt, um gute Kompromisse zu finden, mit denen die Kürzungen abgemildert werden können. Denn im Moment ist der Haushalt eben auch nur ein Entwurf. Veränderungen sind in dem Prozess nicht unüblich, und die große Chance. Denn die Verabschiedung des Haushalts ist erst für den 01. Dezember im Bundestag geplant, und der Bundesrat wird erst kurz vor Weihnachten beraten. Insofern: lasst uns die Zeit bis dahin gut nutzen!

Jörg Duda ist Geschäftsführer des Bayerischen Jugendrotkreuzes.

Im Blog des Bayerischen Jugendrotkreuzes überwiegt die persönliche Meinung, sie steht über den Inhalten. So gelingt es den Autorinnen und Autoren Themen ausführlich aufzubereiten, zum Nachdenken einzuladen und Diskussionen zu erzeugen.

Die Beiträge im JRK-Bayern-Blog erscheinen unregelmäßig regelmäßig.