Zauberakademie, Adel und Tiefschläge

Cornelia Ast ist 37 Jahre, wohnt im Allgäu und ist seit fast 20 Jahren beim Roten Kreuz. Seit 2013 arbeitet sie ehrenamtlich in der Landesleitung. Im Interview erzählt sie von den Hoch- und Tiefpunkten als Landesleitung und wem sie dieses Amt ans Herzen legt. Denn für eine zweite Amtszeit steht sie im September nicht mehr zur Wahl.

 

Cornelia, was machst du beruflich?
Ich war lange Personalentwickler und hab den Bereich Ausbildung und Personalentwicklung geleitet. Dort habe ich die Azubis vom Bewerbungsgespräch für die Ausbildung bis zur Abschlussprüfung begleitet. Vor 2 Jahren habe ich den Job gewechselt und arbeite jetzt zum einen als Projektleiterin bei der BayWa-Stiftung: Es geht unter anderem um gesunde Ernährung für Kinder und verschiedenste Bildungsprojekte. Die Arbeit mit jungen Menschen zieht sich also wie ein roter Faden durch mein Leben. Zum anderen arbeite ich als Dozentin für Kommunikation und Personalmanagement.

 

Verrätst du uns dein zauberhaftes Hobby?
Ja, gerne: Ich bin eine der wenigen zaubernden Frauen, arbeite zusätzlich freiberuflich als Zauberin und als Dozentin für Zauberei an der Zauberakademie Deutschland.
Zaubern zu lernen, war eine der besten Entscheidungen in den letzten Jahren.   

 

Wow – wie kriegst du das alles unter einen Hut?
Mit einem extrem ausgeklügelten Zeitmanagement. Ich bin ständig in Begleitung meines digitalen und analogen Terminkalenders. Ich brauche alle Termine auf Papier – in der digitalen Welt gehen mir zu viele Termine verloren. (lacht)

 

Wie bist du zur Landesleitung gekommen?
Die damalige Geschäftsführerin des Bayrischen Jugendrotkreuz, Petra Dietz, hat mich angesprochen. Seit vielen Jahren leite ich die Gruppenleiterausbildung in Oberbayern. Als ich 2013 im Rahmen des 1. Jugendparlamentes des JRK in Berlin einen Workshop moderiert habe, kam Petra auf mich zu.

 

Wie ging es dann weiter?
Ich wusste überhaupt nicht, was die Landesleitung macht. Nach vielen intensiven Gesprächen mit Petra, Dirk und den Jungs und Mädels aus der Landesgeschäftsstelle war ich mir sicher, dass ich das „probieren“ wollte. Dann hieß es eine Selbstdarstellung vorzubereiten, ein Mini-Wahlplakat zu gestalten und zu verteilen, vor Ort für Fragen zur Verfügung zu stehen und schließlich wählte mich die Landesversammlung in Nürnberg. Es gab damals auch nicht so viele Kandidierende. (lacht)

 

Wie war die erste Zeit?
Ganz spannend, ehrlich gesagt. Wir hatten unglaublich viel Idealismus und tolle Ideen: „Yuppie, wir können was voranbringen!“ Dann sind erst einmal Welten aufeinandergeprallt. Plötzlich hatte ich mit unheimlich vielen, mir noch völlig unbekannten Menschen in den verschiedenen Gremien zu tun. Mir war am Anfang nicht klar, welche Aufgaben sie und auch ich haben. Wie weit geht mein Einfluss? Was darf ich sagen und was wird von mir erwartet?

 

Hört sich auch ein Stück anstrengend an?
Ja, es sind unglaublich viele Ebenen. Unterschiedlichste Menschen, die teilweise auch erwarten, besonders angesprochen zu werden. Politikerinnen, Wirtschaftsvertretende oder Adelige. Auch die Arbeitsweise in den Gremiumssitzungen war anfangs für mich sehr anstrengend. Ständig klingelten Handys – da wurde dann munter während der Sitzung telefoniert. In meinem bisherigen Business-Umfeld wäre so etwas nie im Leben geduldet worden. (lacht)

 

Wie war der Alltag als ehrenamtliche Leitung?
Ganz klar, dieser anfängliche Idealismus ist dem Alltag gewichen. Dazu kam die Erkenntnis, dass ich auch als Vorsitzende nicht einfach so etwas ändern kann. Dazwischen stehen Menschen und Ebenen, die beteiligt werden wollen. Ideen, die wir hatten, wurden endlos diskutiert – oder abgelehnt weil „es immer schon so gemacht wird“. Da musste ich schon manchmal schlucken. In einem Verband, indem so viele mitreden und die einzelnen Motivationen ganz unterschiedlich sind ist es bei weitem nicht immer so einfach, wie man sich das zu Beginn oder auch von außen vorstellt.

 

Was waren denn die Tiefschläge?
Die gab es immer mal wieder. Einen, der mich auch persönlich sehr getroffen hat, hatten wir auf der letzten JRK-Landesversammlung. Wir hatten viele Ordnungsänderung eingebracht, vorher intensiv darüber diskutiert und in einer Beschlussversion für die Versammlung vorbereitet. Wichtig war uns: Dass die Landesleitung per Ordnung gleichberechtigt wird. Zum einen arbeiten wir gleichberechtigt – jeder von uns Dreien verantwortet eigene Arbeitsbereiche. Zum anderen kam unsere Erfahrung dazu: wenn der Vorsitzende selber nicht kommt, werden wir als sogenannte Stellvertreterinnen von vielen Gesprächspartnern nicht ernst genommen. Wir sind ja „nur“ die Stellvertreter und wurden oft als zweite Wahl gesehen. Das spiegelt nicht unsere Arbeit und ehrlich gesagt auch nicht die richtige Wertschätzung dafür wieder.

Und dann der Beschluss der vergangenen Landesversammlung, der diesen Antrag schon recht deutlich ablehnte: Das geht nicht. Da habe ich mich schon gefragt: Warum sitz ich eigentlich hier. Das war ein bitterer Moment und auch die Tage danach waren nicht einfach.

 

Und die Höhenpunkte?
Da gab es zum Glück eine ganze Menge. Prinzipiell war es immer ein Höhepunkt, wenn wir ein Thema abgeschlossen hatten. Am Anfang haben wir einen Plan aufgestellt, welche Themen wir angehen müssen. Die Liste war ganz schön umfangreich. Und 4 Jahren sind dann gar nicht so lang, wenn man bedenkt, wen man alles beteiligen muss. (lacht)  

Etwas ganz Besonderes war der Länderrat 2015. Den hatten wir damals in Bayern ausgerichtet. Wir haben uns viel Mühe gemacht mit dem Rahmenprogramm und den Inhalten – und die Rückmeldungen haben uns Recht gegeben: „So einen coolen Länderrat gab es noch nie“. Das hat uns schon stolz gemacht: Aus einer verstaubten Veranstaltung etwas zu machen, auf das sich die Teilnehmenden freuen. Einfach etwas Neues auszuprobieren.

 

Was war anders als erwartet?
Definitiv der Zeitansatz. Der war komplett anders. Nach den Gesprächen ging ich „nur“ von ein paar Sitzungen und internen Abstimmungen aus. Wahrscheinlich war das gut, sonst hätte ich es vielleicht gar nicht erst gemacht. Wird die Themenpalette, wie in unserem Fall, etwas erweitert, kann man damit schon sehr viel Zeit verbringen. Zusätzlich bei Bezirksversammlungen, Wettbewerben und weiteren Veranstaltungen vor Ort zu sein. Bayern ist ein riesiger Flächenstaat. Da geht schon ein bisschen Zeit drauf. (lacht)

 

Wem würdest du dieses Amt empfehlen?
Prinzipiell allen Menschen, die Lust haben etwas Neues auszuprobieren. Die neugierig sind. Die auch mal damit klar kommen, wenn es nicht so läuft wie geplant. Die genug Zeit und Motivation haben das durchzuhalten. Es werden diese Phasen kommen, in denen du dich fragst: Warum bin ich hier und nicht mit Freunden im Biergarten?
Es ist wert, dann durchzuhalten und sich durchzubeißen. Aufhören kann jeder. Dabeibleiben und weitermachen, das ist es, was am Ende den Unterschied macht und auch den Verband weiter bringt.

 

Was kann man als Mitglied der Landesleitung lernen?
Eine ganze Menge: Lernen auf den Tisch zu hauen und sich durchzusetzen. Gleichzeitig lernt man auch viel geduldiger zu werden. Wenn nicht alles so schnell geht, wie man es sich vorstellt. Wie organisieren ich mich? Wie komme ich am besten von A nach B? Wenn ich mich nur hinstelle und sage, „ich bin die Vorsitzende und wer bringt mich jetzt dahin“, dann passiert nicht viel. Du brauchst und lernst eine Kombination aus Eigeninitiative, Organisationstalent und Spaß am Tun.

 

Was hat dich am meisten bereichert in deiner Zeit?
Die Menschen, die ich kennen lernen durfte. Die Tatsache, wie ich anderen Menschen begegne. Dass es keine Menschen gibt, die über anderen stehen. Dass ich keine Angst vor anderen haben muss, vor ihren Titeln und Ämtern. Es ist nicht der Adelstitel, der akademische Grad oder die Stellung in einer Firma, die den Menschen ausmacht. Am tollsten war es, unsere Mitglieder kennenzulernen. Das macht mir immer wahnsinnig viel Spaß. Es sind sogar ein paar Freundschaften entstanden, die weiter bestehen bleiben werden.

 

Wofür oder wem bist du am dankbarsten?
Ich weiß nicht, ob dankbar die richtige Formulierung ist. Aber ich bin froh, dass ich es gemacht habe. Es waren, und sind noch, vier sehr intensive Jahre, mit sehr viel Arbeit und vielen Erfahrungen. Ich habe viel lernen dürfen und darüber bin ich sehr froh. Und ja – vermutlich ist dankbar doch eine ganz passende Formulierung dafür... ;-)  

Eine gekürzte Fassung dieses Interviews erschien in der Ausgabe der baff 1/2017.
Mehr Informationen über die Wahlen in diesem Jahr gibt es auf der Infoseite www.jrk-und-du.bayern